Das Denken denken

Wenn wir die Dialektik als Dimension des Denkens kennzeichnen und sie sogar als die im Geschichtsgang der Metaphysik höchste Dimension des Denkens anerkennen müssen, dan sagt dies jetzt: Dadurch, daß das Denken dialektisch wird, gelangt es in einen bisher verschlossenen Bezirk der Maßgabe für die Umgrenzung seines eigenen Wesens. Durch die Dialektik gewinnt das Denken jenen Bezirk, innerhalb dessen es sich selber vollständig denken kann. Dadurch kommt das Denken erst zu sich selbst. Innerhalb der Dimension der Dialektik wird auf eine begründende Weise offenbar, daß und wie zum Denken nicht nur die Möglichkeit, sondern die Notwendigkeit gehört, sich selbst zu denken, sich in sich zu spiegeln, zu reflektieren. Weshalb und auf welche Weise das Denken Reflexion ist, kommt erst in der Dimension der Dialektik ganz zum Vorschein. Dadurch aber, daß das Denken sich selbst denkt und als Denken sich denken muß, sondert sich das Denken als Vorstellen keineswegs von seinen Gegenständen ab; vielmehr gewinnt es so erst die Vermittelung und die zureichende Einigung mit den Gegenständen. Darum ist der dialektische Prozeß des Denkens keine bloße Abfolge von Vorstellungen im menschlichen Bewußtsein, die sich psychologisch beobachten lassen. Der dialektische Prozeß ist die Grundbewegung im Ganzen des Gegenständlichen aller Gegenstände, d.h. im neuzeitlichen verstandenen Sein. Der Vorfall, daß unser abendländische-europäisches Denken die ihm seit Platon vorgezeichnete Dimension der Dialektik erreicht hat, ist ein weltgeschichtlicher.

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(Bremer und Freiburger Vorträge, S. 85).