Tatsächlich stimmen γιγνωσκειν und συνιεναι darin überein, daß beide vom bloßen Berührtsein der Sinne durch den Klang oder durch den Augenschein zu einem geistigen Erfassen vordringen. Diese Wege sind aber nicht zufällig dadurch verschieden, daß das eine Wort von der Wahrnehmung durch das Auge, das andere von der Wahrnehmung durch das Ohr ausgeht, und γιγνωσκειν stärker eine Aktivität, συνιεναι mehr eine rezeptive Haltung und eine Fähigkeit bezeichnet, die der ursprüngliche Bedeutung des Folgens entspricht. γιγνωσκειν hieß, das Wesen der Dinge dadurch zu erkennen, daß man die wechselnden Erscheinungen der objektiv gegebenen Welt rational ordnete. Die Bedeutung der Dinge wird aber nicht verstanden, indem das Was der Dinge erkannt wird (dadurch werden nur die Beziehungen der Dinge in der Außenwelt zueinander erklärt). Ihre Bedeutung wird nur verstanden durch ihre Beziehung zum menschlichen Geist. Und diese Beziehung zum menschlichen Geist ist durch συνιεναι deswegen gegeben, weil es von der Wahrnehmung durch das Ohr ausgeht. Dessen Objekt ist menschliche vernünftige Rede, während das Auge auf die Gegenstände des Raumes gerichtet ist, deren Ordnung es erkennt. Um die Welt auch zu verstehen, muß man sie als Träger eines vernünftigen Sinnes, gewissermaßen als sprechenden, lehrenden Menschen annehmen, dem es zu folgen gilt.
Sn***
(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, S. 48-9).
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Wissensvermittlung
Zum ersten Mal treffen wir das Wort γνωσις bei Heraklit. Bei ihm ist γνωσις das Erkennen oder die Erkenntnis der Erscheinungswelt, über die er allerdings spottet, — sie bezeichnet also das Ziel der ionischen Naturphilosophie, deren Wesen wir ja schon im Verbum γιγνωσκειν bezeichnet gefunden hatten. So ist es verständlich, daß dies der erste Begriff ist in der ionischen Philosophie, der wirklich als terminus für die prägnante Bezeichnung einer Wissensvermittlung gelten kann.
Sn***
(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, S. 38).
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(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, S. 38).
Das Verhältnis des erkennenden Menschen zur Umwelt
Starrere, aber auch inhaltsbestimmtere Begriffe mußten notwendig entstehen, als das Verhältnis des erkennenden Menschen zur Umwelt als ein Wunder empfunden wurde, als eine Brücke zwischen beiden gesucht wurde. Da wurden Begriffe aus dem Sprachgut hervorgeholt, die die Herrschaft des Menschen über das erkannte Objekt nicht lediglich als ein Sein oder Haben bezeichneten, sondern vielmehr als ein Gewinn, also als Tätigkeit. Es ist das Entscheidende, daß diese neuen Worte γνωμη, γνωσις, συνεσις, ιστορια, μαθημα, επιστημη, alle von Verben abgeleitet sind, und nicht wie Sophia vom Adjektiv.
Sn***
(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, S. 18).
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(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, S. 18).
Das Ideal einer geistigen Haltung als Eigenschaft
Je mehr sich aber das Bedürfnis herausstellte, sich rein geistig-theoretisch mit der Welt auseinander zu setzen, desto blasser und inhaltsärmer wurde der Begriff Sophia, und unter ihm mußten andere Begriffe entstehen, die diese neue Tätigkeit wirklich bezeichneten.
Denn das Wort σοφια ist dadurch von vornherein auf eine ganz bestimmte Stellung gewiesen, daß es von einem Adjektiv abgeleitet ist: σοφος ist der, der seine Sache versteht (welche Sache bleibt dabei unbestimmt), und σοφια bezeichnet einfach das Ideal einer geistigen Haltung als Eigenschaft (nicht als Tätigkeit).
Um einen Inhalt zu haben, muß sie gewissermaßen mit einer Tätigkeit gefüllt werden. Darum besaß auch das Wort die Fähigkeit, sich den Schwankungen des geistigen Bedürfnisses anzupassen und seinen Inhalt zu ändern. Nun blieb bei der Differenzierungen des Lebens σοφια stets auf der Seite des Theoretischen, und so steht die Sophia an der Spitze aller philosophischen Bestrebungen Griechenlands, — oder vielmehr, seit diese Bestrebungen zum Bewußtsein ihrer Fähigkeiten gekommen waren, die φιλοσοφια.
Sn***
(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, S. 17-18).
Denn das Wort σοφια ist dadurch von vornherein auf eine ganz bestimmte Stellung gewiesen, daß es von einem Adjektiv abgeleitet ist: σοφος ist der, der seine Sache versteht (welche Sache bleibt dabei unbestimmt), und σοφια bezeichnet einfach das Ideal einer geistigen Haltung als Eigenschaft (nicht als Tätigkeit).
Um einen Inhalt zu haben, muß sie gewissermaßen mit einer Tätigkeit gefüllt werden. Darum besaß auch das Wort die Fähigkeit, sich den Schwankungen des geistigen Bedürfnisses anzupassen und seinen Inhalt zu ändern. Nun blieb bei der Differenzierungen des Lebens σοφια stets auf der Seite des Theoretischen, und so steht die Sophia an der Spitze aller philosophischen Bestrebungen Griechenlands, — oder vielmehr, seit diese Bestrebungen zum Bewußtsein ihrer Fähigkeiten gekommen waren, die φιλοσοφια.
Sn***
(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, S. 17-18).
Der verständnisvolle Zuhörer
Pindar spricht von seinen eigenen Sophia, und auch sonst ist an vielen Stellen deutlich daß σοφος und σοφια auf die Dichtung bezogen sind.
Bei Pindar sehen wir, wie stark ihm die Sophia schon intellektuelle Bedeutung besitzt; er spricht sie auch dem verständnisvollen Zuhörer zu.
Sn***
(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, S. 11).
Bei Pindar sehen wir, wie stark ihm die Sophia schon intellektuelle Bedeutung besitzt; er spricht sie auch dem verständnisvollen Zuhörer zu.
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(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, S. 11).
Kolonialboden Ioniens
Je mehr sich der Einzelne aus der gesellschaftlichen und staatlichen Bindung löste — und auf den Kolonialboden Ioniens, wo sich diese Entwicklung zunächst vollzog, mögen die wirtschaftlichen und politischen Zustände einem solchen Prozesse besonders günstig gewesen sein — desto stärkeren Abstand gewann das theoretische Verhalten von praktischen Fragen, an denen sich ursprünglich das philosophische Interesse entzündet hatte.
Sn***
(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosopie, S. 4).
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(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosopie, S. 4).
Die Beschäftigung mit geistigen Dingen
Dikaiarch, der Schüler des Aristoteles, scheint der erste aus dem Kreis der griechischen Gelehrten gewesen zu sein, der es deutlich empfand, daß die Beschäftigung mit geistigen Dingen den Menschen allmählich dem praktischen Handeln entfremdet hatte. Ihm schienen die Sieben Weisen noch mit ihrem ganzen Tun philosophiert zu haben, während man heute in bloßen Worten kramte.
Sn***
(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, S. 1).
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(Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, S. 1).
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