Die Religion wird uns zu früh vor der Reife des Verstandes, wenn wir jeden Eindruck festhalten, sie wird uns als Glaubenssache eingeprägt, über die man nicht vernünfteln soll. Ihr stellt man zwey mächtige Leidenschaften, Furcht und Hoffnung, zur Seite, und knüpft dieselbe an Gegenstände, die ausser dem Gebiete der Erfahrung liegen. Wie leicht können daher Dogmen der Theologie, falsche Begriffe von der Gewalt des Teufels, von der Prädestination, von der Versöhnung, von der Strafgerechtigkeit Gottes, von der Ewigkeit der Höllenstrafen einen an Körper und Seele schwachen Menschen, der krank, hypochondrisch, durch Unglücksfälle gebeugt ist, seine düstere Phantasie in stiller Einsamkeit nährt, und seinen Hang zum Wunderbaren durch mystische Schriften befriedigt, zum Wahnsinn führen? Und wie schwer wird dieser Schwärmer zu bekehren seyn. Jeder Widerspruch empört ihn, jeden Zweifel hält er für Gotteslästerung. Alle Vernunftgründe scheitern an seiner erhitzten Einbildungskraft. Man soll daher dem Wahnsinn aus dieser Quelle vorbeugen, da er so schwer zu heilen ist, den Fanatismus bekämpfen, die Religion von Schwärmerey, Mystik und Pietismus reinigen.
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Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen, S. 281.