An Ebert

Ebert, mich scheucht ein trüber Gedanke vom blinkenden Weine
Tief in die Melancholey!

Ach du redest umsonst, vor dem gewaltiges Kelchglas,
Heitre Gedanken mir zu!

Weggehn muß ich, und weinen! vielleicht, daß die lindernde Thräne
Meine Betrübnis verweint.

Lindernde Thränen, euch gab die Natur dem menschlichen Elend
Weis’ als Gesellinnen zu.

Wäret ihr nicht, und könnte ihr Leiden die Menschen nicht weinen;
Ach! wie ertrügen sie es da!

Weggehn muß ich, und weinen! Mein schwermuthsvoller Gedanke
Bebt noch gewaltig in mir.

Ebert! … sind sie nun … alle dahin! deckt unsere Freunde
Alle die heilige Gruft;

Und sind wir… zween Einsame… dann von allen noch übrig!..
Ebert! … verstummst du nicht hier?

Sieht dein Auge nicht bang um sich her, nicht starr ohne Seele?
So erstarb auch mein Blick!

So erbebt’ ich, als mich von allen Gedanken der bängste
Donnernd das erstemal traf!

Wie du einen Wanderer, der, zu eilend der Gattin,
Und dem gebildeten Sohn,

Und der blühenden Tochter, nach ihrer Umarmung schon hinweint,
Du den, Donner, ereilst,

Tödtend ihn fassest, und ihm das Gebein zu fallendem Staube
Machst, triumphirend alsdann

Wieder die hohe Wolke durchwandelst; so traf der Gedanke
Meinen erschütterten Geist,

Daß mein Auge sich dunkel verlor, und das bebende Knie mir
Kraftlos zittert’, und sank.

Ach, in schweigender Nacht, ging mir die Todtenerscheinung,
Unsre Freunde, vorbey!

Ach in schweigender Nacht erblickt’ ich die offenen Gräber,
Und der Unsterblichen Schaar!

Wenn nicht mehr des zärtlichen Giseken Auge mir lächelt!
Wenn, von der Radikin fern,

Unser redlicher Cramer verwest! wenn Gärtner, wenn Rabner
Nicht sokratisch mehr spricht!

Wenn in des edelmüthigen Gellert harmonischem Leben
Jede Saite verstummt!

Wenn, nun über dem Grabe, der freye gesellige Rothe
Freudegenossen sich wählt!

Wenn der erfindende Schlegel aus einer längern Verbannung
Keinem Freunde mehr schreibt!

Wenn in meines geliebtesten Schmidts Umarmung mein Auge
Nicht mehr Zärtlichkeit weint!

Wenn einschlummernd sich Hagedorn unser Vater entfernt;
Ebert, was sind wir alsdann,

Wie Geweihte des Schmerzes, die hier ein trüberes Schicksal
Länger, als Alle sie ließ.

Stirbt dann auch Einer von uns, mich reißt mein banger Gedanke
Immer nächtlicher fort!

Stirbt dann auch Einer von uns, und bleibt nur Einer noch übrig;
Bin der Eine dann ich;

Hat mich dann auch die schon geliebt, die künftig mich liebet,
Ruht auch sie in der Gruft;

Bin dann ich der Einsame, bin allein auf der Erde:
Wirst du, ewiger Geist,

Seele zur Freundschaft erschaffen, du dann die leeren Tage
Sehn, und fühlend noch seyn?

Oder wirst du betäubt für Nächte sie halten, und schlummern,
Und gedankenlos ruhn?

Aber wenn du bisweilen erwachtest zu fühlen dein Elend,
Banger, unsterblicher Geist?

Rufe, wenn du erwachst, das Bild von dem Grabe der Freunde,
Das nur rufe zurück!

O ihr Gräber der Todten! ihr Gräber meiner Entschlafnen!
Warum liegt ihr zerstreut?

Warum liegt ihr nicht in blühenden Thalen beysammen?
Oder in Hainen vereint?

Leitet den sterbenden Greis! Ich will mit bebendem Fuße
Gehn, auf jegliches Grab

Eine Zypresse pflanzen, die noch nicht schattenden Bäume
Für die Enkel erziehn,

Oft in der Nacht auf biegsamen Wipfeln die himlische Bildung
Meiner Unsterblichen sehn,

Zitternd mein Haupt gen Himmel erheben, und weinen, und sterben!
Grabet den Todten dann ein

Bey dem Grabe, bey dem er starb! Nimm dann, o Verwesung!
Meine Thränen, und mich!...

Finstrer Gedanke, laß ab! laß ab in die Seele zu donnern!
Wie die Ewigkeit ernst,

Furchtbar, wie das Gericht, laß ab! die verstummende Seele
Faßt dich, Gedanke, nicht mehr!