Zerfall der Polis und der Tod

Nach dem Zerfall der Polis in ein Konglomerat von Interessengruppen, die kein gemeinsamer Gott mehr zu vereinigen vermochte und die kein glaubwürdiges Decorum in die Pflicht nahm, tritt die Philosophie auf den Plan, um den Tod eine umstürzend neue Bedeutung zuzuschreiben. Er wandelt sich von einer potentiellen Opfergabe des Bürgers an das Gemeinwesen zu einem Gegenstand romantischer Spekulation, gelegentlich zu einem Spielzeug metaphysischer Laszivität. Vor allem aber wird der Tod, als bewußte Rückkehr in den Ursprung verstanden, zu einer Aufgabe, der sich die Einzelnen mit letzter Verbindlichkeit widmen können, ohne daß ihnen die »Gesellschaft«, jetzt nur noch ein äußerliches Miteinander individualisierter Interessenverfolger, dazwischenreden dürfte.

Sl***
(Scheintod im Denken, S.73)