Vorläufige allgemeine Regeln

Vorläufig einige allgemeine Regeln, die auf die psychische Curmethode des Wahnsinns überhaupt Bezug haben.

1) Ein zuverläffiges Heilverfahren dieser Krankheit ist nach dem jetzigen Stand unseres Wissens nicht möglich. Die Natur derselben und ihre Causalverhältnisse sind uns wenig bekannt und die Wirkungen der psychischen Mittel so relativ, dass wir auf nichts Bestimmtes rechnen können.
2) Eine Hauptsache ist es, dass der Kranke gleich beim ersten Ausbruch seiner Geisteszerrüttung in die Hände eines geschickten Arztes falle. Die Krankheit schreitet fort, ändert ihre Gestalt wird schwerer heilbar mit ihrem Alter und ein Fehlgriff bey den ersten Versuchen kann den Kranken für jeden künftigen Plan unempfänglich machen.
3) Alle zum Behuf des Curplans erfundenen psychischen Mittel, Zerstreuungen, Ableitungen u.s.w. müssen dem Kranken als durch Zufall herbeigeführt erscheinen und daher mit Klugheit und Behutsamkeit ausgeführt werden, damit er nichts von Absicht oder Betrug ahnde. In dieser Hinsicht rechne man nicht zuviel auf seinen Stumpfsinn.
4) Verliert derjenige, welcher die Cur des Kranken vorzüglich handhabet, das Zutrauen desselben durch irgend einen Fehlgriff in der Methode, so gelingt ihm schwerlich irgend ein künftiger Versuch. Er gehe ab und überlasse seinen Platz einem andern Arzt, den sein Irrthum auf einen entgegengesetzten besseren Weg leiten kann.
5) Den Kranken, der sich ermannt hat, muss man zu halten suchen. In dem Moment, wo er zurücksinken will, setze man ihm gleich eine Stütze. An Mannichfaltigkeit der Mittel darf es daher dem psychischen Arzt nicht fehlen. Jeder wiederkehrende Anfall hinterlässt eine neue Zerrüttung des Gehirns.

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Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen, S. 218-221.