Höhere Menschheit

Den Menschen ist der Sinn ins Innere gegeben,
Daß sie als anerkannt das Beßre wählen,
Es gilt als Ziel, es ist das wahre Leben,
Von dem sich geistiger des Lebens Jahre zählen.
Scardanelli

Das Leben des Geistes

Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet.

He***

(Die Phänomenologie des Geistes, Vorrede).

Unsterblichkeit

ἀθάνατοι θνητοί, θνητοὶ ἀθάνατοι. ζῶντες τὸν ἐκείνων θάνατον, τὸν δὲ ἐκείνων βίον τεθνεῶτες.

Unsterbliche sterblich, sterbliche unsterblich. Sie leben den Tod jener, und das Leben jener sterben sie.

He***

(Fragmentum B62).

Von der Wahrheit

Anfängerin großer Tugend, Königin Wahrheit,
Daß du nicht stoßest
Mein Denken an rauhe Lüge.

Furcht vor der Wahrheit, aus Wohlgefallen an ihr. Nämlich das erste lebendige Auffassen derselben im lebendigen Sinne ist, wie alles reine Gefühl, Verwirrungen ausgesetzt; so daß man nicht irret, aus eigener Schuld, noch auch aus einer Störung, sondern des höheren Gegenstandes wegen, für den, verhältnismäßig, der Sinn zu schwach ist.

Hö***

(Pindar-Fragmente).

Über die Schranke

Es pflegt zuerst viel auf die Schranken des Denkens, der Vernunft u.s.f. gehalten zu werden, und es wird behauptet, es könne über die Schranke nicht hinausgegangen werden. In dieser Behauptung liegt die Bewußtlosigkeit, daß darin selbst, daß etwas als Schranke bestimmt ist, darüber bereits hinausgegangen ist. Denn eine Bestimmtheit, Grenze, ist als Schranke nur bestimmt, im Gegensatz gegen sein Anderes überhaupt, als gegen sein Unbeschränktes; das Andere einer Schranke ist eben das hinaus über dieselbe.

He***

(Wissenschaft der Logik, Erster Theil, S. 143).

Ausdrückliche Behauptung

Es ist die ausdrückliche Behauptung, daß das Endliche mit dem Unendlichen unverträglich und unvereinbar sey, das Endliche dem Unendlichen schlechthin entgegengesetzt sey. Dem Unendlichen ist Seyn, absolutes Seyn zugeschrieben; ihm gegenüber bleibt so das Endliche festgehalten, als das Negative desselben; unvereinbar mit dem Unendlichen bleibt es absolut auf seiner eigenen Seite; Affirmation erhielte es vom Affirmativen, dem Unendlichen und verginge so; aber eine Vereinigung mit demselben ist das, was für das Unmögliche erklärt wird. Soll es nicht beharren dem Unendlichen gegenüber, sondern vergehen, so ist, wie vorhin gesagt, eben sein Vergehen das Letzte, nicht das Affirmative, welches nur das Vergehen des Vergehens seyn würde.

He***

(Wissenschaft der Logik, Erster Theil, S. 139).

Über die Grenze

Ferner aber ist das Etwas, wie es außer der Grenze ist, das unbegrenzte Etwas, nur das Daseyn überhaupt. So ist es nicht von seinem Anderen unterschieden; es ist nur Daseyn, hat also mit seinem Anderen dieselbe Bestimmung, jedes ist nur Etwas überhaupt oder jedes ist Anderes; beide sind so Dasselbe. Aber dies ihr zunächst unmittelbares Daseyn ist nun gesetzt mit der Bestimmtheit als Grenze, in welcher beide sind, was sie sind, unterschieden von einander. Sie ist aber ebenso ihre gemeinschaftliche Unterschiedenheit, die Einheit und Unterschiedenheit derselben, wie das Daseyn. Diese doppelte Identität beider, das Daseyn und die Grenze enthält dies, daß das Etwas sein Daseyn nur in der Grenze hat, und daß, indem die Grenze und das unmittelbare Daseyn beide zugleich das Negative von einander sind, das Etwas, welches nur in seiner Grenze ist, ebenso sehr sich von sich selbst trennt und über sich hinaus auf sein Nichtseyn weist und dieß als sein Seyn ausspricht, und so in dasselbe übergeht.

He***

(Wissenschaft der Logik, Erster Theil, S. 135).

Grenze

Insofern nun Etwas in seiner Grenze ist und nicht ist, und diese Momente ein unmittelbarer, qualitativer Unterschied sind, so fällt das Nichtdaseyn und das Daseyn des Etwas außer einander. Etwas hat sein Daseyn außer (oder wie man es sich auch vorstellt, innerhalb) seiner Grenze; ebenso auch das Andere, weil es Etwas ist, außerhalb derselben. Es ist die Mitte zwischen beiden, in der sie aufhören. Sie haben das Daseyn jenseits von einander von ihrer Grenze; die Grenze als das Nichtseyn eines jeden ist das Andere von beiden.

He***

(Wissenschaft der Logik, Erster Theil, S. 134/5).

Etwas / Anderes

Etwas also ist unmittelbares sich auf sich beziehendes Daseyn und hat eine Grenze zunächst als gegen Anderes: sie ist das Nichtseyn des Anderen, nicht des Etwas selbst; es begegnet in ihr sein Anderes. — Aber das Andere ist selbst ein Etwas überhaupt; die Grenze also, welche das Etwas gegen das Andere hat, ist auch Grenze des Anderen als Etwas, Grenze desselben, wodurch es das erste Etwas als sein Anderes von sich abhält, oder ist ein Nichtseyn jenes Etwas; so ist sie nicht nur Nichtseyn des Anderen, sondern des einen wie des anderen Etwas, somit des Etwas überhaupt.

Aber sie ist wesentlich ebenso das Nichtseyn des Anderen, so ist Etwas zugleich durch seine Grenze. Indem Etwas begrenzend ist, wird es zwar herabgesetzt, selbst begrenzt zu seyn; aber seine Grenze ist, als Aufhören des Anderen an ihm, zugleich selbst nur das Seyn des Etwas; dieses ist durch sie das, was es ist, hat in ihr seine Qualität. — Dies Verhältnis ist die äußere Erscheinung dessen, daß die Grenze einfache Negation oder die erste Negation, das Andere aber zugleich die Negation der Negation, das Insichseyn des Etwas ist.

He***

(Wissenschaft der Logik, Erster Theil, S. 134).

Die frühen Gräber

Wilkommen, o silberner Mond!
Schöner, stiller Gefährt der Nacht!
Du entfliehst? Eile nicht, bleib, Gedankenfreund!
Sehet, er bleibt, das Gewölk wallte nur hin.

Des Mayes erwachen ist nur
Schöner noch, wie die Sommernacht,
Wenn ihm Tau, hell wie Licht, aus der Locke träuft,
Und zu dem Hügel herauf röthlich er kömmt.

Ihr Edleren, ach es bewächst
Eure Maale schon ernstes Moos!
O wie war glücklich ich, als ich noch mit euch
Sahe sich röthen den Tag, schimmern die Nacht.

Kl***

(Oden, S. 204).

O ihr Gräber der Todten!

O ihr Gräber der Todten! ihr Gräber meiner Entschlafnen!
Warum liegt ihr zerstreut?
Warum liegt ihr nicht in blühenden Thalen beysammen?
Oder in Hainen vereint?

Kl***

(Oden, S. 102).

Verschwinden des Werdens

Das Gleichgewicht, worein sich Entstehen und Vergehen setzen, ist zunächst das Werden selbst. Aber dieses geht ebensosehr in ruhige Einheit zusammen. Seyn und Nichts sind in ihm nur als Verschwindende; aber das Werden als solches ist nur durch die Unterschiedenheit derselben. Ihr Verschwinden ist daher das Verschwinden des Werdens, oder Verschwinden des Verschwindens selbst. Das Werden ist eine haltungslose Unruhe, die in ein ruhiges Resultat zusammensinkt.

He***

(Wissenschaft der Logik, Erster Theil, S. 109).

Anfang und Ende

Seyn wäre überhaupt nicht der absolute Anfang, wenn es eine Bestimmtheit hätte; alsdann hänge es von einem Anderen ab, und wäre nicht unmittelbar, nicht der Anfang. Ist es aber unbestimmt, und damit wahrer Anfang, so hat es auch nichts, wodurch es sich zu einem Anderen überleitet, es ist zugleich das Ende.

He***

(Wissenschaft der Logik, Erster Theil, S. 94).

Das reine Nichts

Nichts, das reine Nichts; es ist einfache Gleichheit mit sich selbst, vollkommene Leerheit, Bestimmungs- und Inhaltslosigkeit; Ununterschiedenheit in ihm selbst. — Insofern Anschauen oder Denken hier erwähnt werden kann, so gilt es als ein Unterschied, ob etwas oder nichts angeschaut oder gedacht wird. Nichts anschauen oder denken hat also eine Bedeutung; beide werden unterschieden, so ist (existirt) nichts in unserem Anschauen oder Denken; oder vielmehr ist es das leere Anschauen oder Denken selbst; und dasselbe leere Anschauen oder Denken, als das reine Seyn. — Nichts ist somit dieselbe Bestimmung oder vielmehr Bestimmungslosigkeit, und damit überhaupt dasselbe, was das reine Seyn ist.

He***

(Wissenschaft der Logik, Erster Theil, S. 78).

Das Anfangende ist noch nicht

Es ist noch Nichts, und es soll Etwas werden. Der Anfang ist nicht das reine Nichts, sondern ein Nichts, von dem Etwas ausgehen soll; das Seyn ist also auch schon im Anfang enthalten. Der Anfang enthält also Beides, Seyn und Nichts; ist die Einheit von Seyn und Nichts; — oder ist Nichtseyn, das zugleich Seyn, und Seyn, das zugleich Nichtseyn ist.

Ferner, Seyn und Nichts sind im Anfang unterschieden vorhanden; denn er weißt auf etwas Anderes hin; — er ist ein Nichtseyn, das auf das Seyn als auf ein Anderes bezogen ist; das Anfangende ist noch nicht; es geht erst dem Seyn zu. Der Anfang enthält also das Seyn als ein solches, das sich von dem Nichtseyn entfernt, oder es aufhebt, als ein ihm Entgegengesetztes.

He***

(Wissenschaft der Logik, Erster Theil, S. 68).

Wegweiser

(Mit den Wegweisern ist es überdies eine eigene Sache. Sie geben zwar eine Weisung, bleiben jedoch auf dem Weg zurück. Statt mit uns zu gehen, überlassen sie uns dem eigenen Versuch, den Weg zu gehen).

He***

(Bremer und Freiburger Vorträge, S. 104).

Das positive Negative

Es sind hier Gestalten des Bewußtseyns, deren jede in ihrer Realisirung sich zugleich selbst auflöst, ihre eigene Negation zum Resultate hat — und damit in eine höhere Gestalt übergegangen ist. Das einzige, um den wissenschaftlichen Fortgang zu gewinnen, und um dessen ganz einfache Einsicht sich wesentlich zu bemühen ist, — ist die Erkenntnis des logischen Satzes, daß das Negative ebenso sehr positiv ist, oder daß das Widersprechende sich nicht in Null, in das abstrakte Nichts auflöst, sondern wesentlich nur in die Negation seines besonderen Inhalts, oder daß eine solche Negation nicht alle Negation, sondern die Negation der bestimmten Sache, die sich auflöst, somit bestimmte Negation ist; daß also im Resultate wesentlich das enthalten ist, woraus es resultirt; — was eigentlich eine Tautologie ist, denn sonst wäre es ein Unmittelbares, nicht ein Resultat. Indem das Resultirende, die Negation, bestimmte Negation ist, hat sie einen Inhalt. Sie ist ein neuer Begriff, aber der höhere, reichere Begriff als der vorhergehende; denn sie ist um dessen Negation oder Entgegengesetztes reicher geworden; enthält ihn also, aber auch mehr als ihn, und ist die Einheit seiner und seines Entgegengesetztes. — In diesem Wege hat sich das System der Begriffe überhaupt zu bilden, (...).

He***

(Wissenschaft der Logik, Erster Theil, S. 41).

Nothwendiger Widerstreit der Bestimmungen des Verstandes mit sich selbst

Aber der reflektierende Verstand bemächtigte sich der Philosophie. Es ist genau zu wissen, was dieser Ausdruck sagen will, der sonst vielfach als Schlagwort gebraucht wird; es ist überhaupt darunter der abstrahirende und damit trennende Verstand zu verstehen, der in seinen Trennungen beharrt. Gegen die Vernunft gekehrt beträgt er sich als gemeiner Menschenverstand und macht seine Ansicht geltend, daß die Gedanken nur Gedanken seyen, in dem Sinne, daß erst die sinnliche Wahrnehmung ihnen Gehalt und Realität gebe, daß die Vernunft, insofern sie an und für sich bleibt, nur Hirngespinste erzeugt. In diesem Verzichtthun der Vernunft auf sich selbst geht der Begriff der Wahrheit verloren, sie ist darauf eingeschränkt, nur subjektive Wahrheit, nur die Erscheinung zu erkennen, nur etwas, dem die Natur der Sache selbst nicht entspreche; das Wissen ist zur Meinung geworden.

Diese Wendung jedoch, welche das Erkennen nimmt, und die als Verlust und Rückschritt erscheint, hat das Tiefere zur Grunde, worauf überhaupt die Erhebung der Vernunft in den höheren Geist der neuern Philosophie beruht. Der Grund jener allgemein gewordenen Vorstellung ist nämlich in der Einsicht von dem nothwendigen Widerstreite der Bestimmungen des Verstandes mit sich selbst zu suchen. — Die schon namhaft gemachte Reflexion ist dieß, über das konkrete Unmittelbare hinaus zu gehen, und dasselbe zu bestimmen und zu trennen. (...). Dieses Beziehen der Reflexion gehört an sich der Vernunft an; die Erhebung über jene Bestimmungen, die zur Einsicht des Widersteites derselben gelangt, ist der große negative Schritt zum wahrhaften Begriffe der Vernunft.

He***

(Wissenschaft der Logik, Erster Theil, S. 29-30).

Das Denken in der Schwebe

Am Ab-Grund findet das Denken keinen Grund mehr. Es fällt ins Bodenlose, wo nichts mehr trägt. Aber muß das Denken notwendig getragen sein? Offenkundig, weil das Denken keine selbstherrliche, in sich abgekapselte Tätigkeit und kein für sich ablaufendes Triebwerk ist. Das Denken bleibt von Hause aus an das Zu-Denkende verwiesen, von ihm geheißen.

Doch muß denn das Tragende für alle Fälle den Charakter eines Trägers haben, den die Metaphysik als Substanz oder als Subjekt vorstellt? Keineswegs. Dergleichen wie das Denken kann getragen sein, indem es schwebt. Wie freilich das Denken zu schweben vermag, woher ihm das Schweben kommt, dies zu be-stimmen, bedarf es einer eigenen Erfahrung und Besinnung.

He***

(Bremer und Freiburger Vorträge, S. 154).

Grundirrtum

Vieles, das meiste sogar, spricht dafür, daß die Verödung des Daseins in das nur noch rechnende Denken fernerhin steigen wird. Zu meinen, der Nihilismus sei überwunden, ist vermutlich der Grundirrtum des gegenwärtigen Zeitalters. Nietzsches Wort, wenige Jahre vor dem Zusammenbruch in Turin geschrieben, bleibt wahr. Es lautet «Der Nihilismus steht vor der Tür; woher kommt dieser unheimlichste aller Gäste?»

He***

(Bremer und Freiburger Vorträge, S. 134).

Sprung in den Abgrund

Wenn nun schon jeder einfache Satz als Satz — als entbergende Darlegung von Zugrundeliegendem — ein Satz ist, der jeweils auf einen Grund geht und somit in weitestem Sinne ein Grund-Satz, welchen Wesens sind dann jene Grundsätze, die man unter dem Titel «Denkgesetze» kennt?

Der Satz A ist A legt A als A dar. (...). Worauf geht die Darlegung? Darauf, daß zu jedem Vorliegenden gehört: selbig mit ihm selbst. Genauer gesprochen: Diese Selbigkeit gehört nicht wie eine durchgängige Beschaffenheit zu jedem Vorliegenden. Vielmehr gehört jedes Vorliegende in die Selbigkeit mit ihm selber, denn anders könnte niemals ein Vorliegendes selber von ihm selbst her vorliegen.

Was dem Grundsatz A ist A zu Grunde zu liegen scheint, dieser Grund, den dieser Satz darlegt, die Selbigkeit von etwas mit ihm selber, ist nichts Vorliegendes, nichts Zugrundeliegendes, ist in diesem Sinne kein Grund mehr. Weil aber kein Grund mehr ist, sprechen wir im strengen und nüchternen Sinne vom Ab-grund.

He***

(Bremer und Freiburger Vorträge, S. 111-112).

"Der Weg ist weit"

Das eigentliche Subjekt, d.h. wörtlich das schon Vorliegende, ist für den angeführten Satz nicht der Weg oder gar der Begriff des Weges, sondern: der anwesende weite Weg selbst. Dieser legt den ganzen Satz "Der Weg ist weit" zu Grunde. Das, was den Satz vor- und zugrundeliegt, ist sein Grund. (...). Dieses Belegen von Grund her ist das Begründen. So wäre den jeder Satz dieser Art, streng gedacht, ein Grund-Satz.

He***

(Bremer und Freiburger Vorträge, S. 110).


Widerspruch

Durch den Eingang des Denkens in die Dimension der Dialektik hat sich die Möglichkeit geöffnet, die Denkgesetze in einer gründlicheren Maßgabe zu rücken. Im Gesichtskreis der Dialektik gewinnen die Grundsätze des Denkens eine gewandelte Gestalt. (...).

Hegel hat nun aber in seiner “Logik” nicht nur die reichere und auf ihren Grund zurückgebrachte Wahrheit der Denkgesetze sichtbar gemacht, sondern er hat zugleich und auf eine unwiderlegbare Weise dargetan, daß unser geläufiges Denken gerade dort, wo es sich für das richtige ausgibt, die Denkgesetze gar nicht befolgt, sondern ihnen fortgesetzt widerspricht. Dies erweist sich jedoch nur als eine Folge des Sachverhaltes, daß alles, was ist, den Widerspruch zu seinem Grund hat, was Hegel oft, und auf eine vielfältige Weise ausspricht.

He***

(Bremer und Freiburger Vorträge, S. 86-87).

Das Denken denken

Wenn wir die Dialektik als Dimension des Denkens kennzeichnen und sie sogar als die im Geschichtsgang der Metaphysik höchste Dimension des Denkens anerkennen müssen, dan sagt dies jetzt: Dadurch, daß das Denken dialektisch wird, gelangt es in einen bisher verschlossenen Bezirk der Maßgabe für die Umgrenzung seines eigenen Wesens. Durch die Dialektik gewinnt das Denken jenen Bezirk, innerhalb dessen es sich selber vollständig denken kann. Dadurch kommt das Denken erst zu sich selbst. Innerhalb der Dimension der Dialektik wird auf eine begründende Weise offenbar, daß und wie zum Denken nicht nur die Möglichkeit, sondern die Notwendigkeit gehört, sich selbst zu denken, sich in sich zu spiegeln, zu reflektieren. Weshalb und auf welche Weise das Denken Reflexion ist, kommt erst in der Dimension der Dialektik ganz zum Vorschein. Dadurch aber, daß das Denken sich selbst denkt und als Denken sich denken muß, sondert sich das Denken als Vorstellen keineswegs von seinen Gegenständen ab; vielmehr gewinnt es so erst die Vermittelung und die zureichende Einigung mit den Gegenständen. Darum ist der dialektische Prozeß des Denkens keine bloße Abfolge von Vorstellungen im menschlichen Bewußtsein, die sich psychologisch beobachten lassen. Der dialektische Prozeß ist die Grundbewegung im Ganzen des Gegenständlichen aller Gegenstände, d.h. im neuzeitlichen verstandenen Sein. Der Vorfall, daß unser abendländische-europäisches Denken die ihm seit Platon vorgezeichnete Dimension der Dialektik erreicht hat, ist ein weltgeschichtlicher.

He***

(Bremer und Freiburger Vorträge, S. 85).

Vergessenheit

(...), so wie das Vergessen von etwas sich selber vergißt und sich in den Sog der Vergessenheit wegzieht. Das Ereignis der Vergessenheit läßt nicht nur in die Verborgenheit entfallen, sondern dieses Entfallen selbst entfällt mit in die Verborgenheit, die selber noch bei diesem Fallen wegfällt.

He***

(Bremer und Freiburger Vorträge, S. 75).

Irrenwitz

Ein Irrer gießt die Blumen auf seinem Fensterbrett. "Sie", ruft jemand der ihm zusieht, "in Ihrer Kanne ist ja gar kein Wasser!"
"Das macht nichts", antwortet ihm der Irre. "Es sind ja auch nur künstliche Blumen!"

Pe*** & Pe***

(Irre und Psychiater. Struktur und Soziologie des Irrenwitzes, S. 103).

Inkohärenz der Themenwahl

Die Grundstörung der Verwirrtheitspsychose liegt im Denken, das in der Erregung inkohärent wird und in der Hemmung nicht mehr vorwärtsschreitet. (...) verwirrte Kranke in geringer Erregung [fallen] dadurch auf, daß sie dauernd von Dingen sprechen, die nicht zur Sache gehören (...). (...). Warum das geschieht, bleibt unklar. Es ist auch nicht durch Zwischenfragen zu erfahren. Vielmehr kann nun eine neue Erzählung einsetzen, deren Zusammenhang mit der augenblicklichen Situation wieder offen bleibt. Ich spreche bei dieser Art von Denkstörung von Inkohärenz der Themenwahl. Man erkennt hier zugleich, daß zur Verwirrtheitspsychose keine Ablenkbarkeit durch die augenblicklichen Vorgänge der Umgebung gehört.

Le***

(Aufteilung der endogenen Psychosen und ihre differenzierte Ätiologie, S. 72-73).