Das Zwischen

... daß es ein Zwischen gibt zwischen Sein und Nichtsein, ebenso wie zwischen Kennen und Nichtkennen. Dieses Zwischen ist der Grund der Möglichkeit für das ψευδος.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 274)

Gegenstand einer Meinung

Eine Meinung kann sich nicht auf ein Nichtseiendes beziehen; denn sonst hätte sie ja keinen Gegenstand.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 273)

Doppelter Ansicht sein

Einer Ansicht sein heißt eben: etwas kennen als etwas und dieses Eine ansehen als das und das, d.h. ein Anderes.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 270)

Einer verkehrter Ansicht sein

Τι ποτ' εστι τουτο το παθος παρ' ημιν και τινα τροπον εγγιγνομενον;

»Einer verkehrten Ansicht sein: was ist das für ein Zustand unserer Seele, und wie kommt es dazu?«

P***
(Theätet, 187 d 3 f.)

Die eigentliche Weise des Habens

Weil der Mensch nur mit Mühe und nur selten versteht, daß die eigentliche Weise des Habens für ihn das Erstrebnis ist, daß nur das eigentlich da ist, was für ihn in der ursprünglichsten Sehnsucht (wie wir sagen) gehalten wird, deshalb gelingt der ursprüngliche Einsatz und die echte Haltung des vollen Seinserstrebnisses selten.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 239)

Leiblichkeit und Natur .2

Die Leiblichkeit des Menschen aber ist nicht Natur, auch dann nicht, wenn sie den Menschen quält, ohnmächtig und haltlos macht. Auch dann noch ist die Halt-losigkeit des Existierenden als solchen das, was im Dasein des Menschen, seiner Seinsart nach, das Leibsein umgreift und, wenngleich ohnmächtig, bestimmt; d.h. das Seinserstrebnis ist für das ganze Dasein des Menschen der Grund seines Wesens.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 238)

Naturgewalt

Dieses Absehen von der Menschlichkeit des Leibes und das Nur-hinsehen auf ihn, als ob er Natur wäre (er ist es nie), ist seinerseits nur möglich aufgrund des Seinsverständnisses, d.h. wenn wir im voraus schon verstehen, was Natur heißt. Diese Abhebung der Natur als Natur bedarf selbst eines positiven Leitfadens, d.h. des Verstehens von Natur überhaupt. Woher verstehen wir das? Nie in subjektiver Erfahrung eigener Leiblichkeit (und zwar als einer empfundenen oder aufgrund von künstlich präparierten Empfindungsdaten unseres Leibes im Sinne der Psychologie), sondern unmittelbar (primär) aus der Erfahrung von Welt, zu der sich unser Dasein verhält, sofern es als In-der-Welt-sein existiert, öffnet sich Natur, nämlich als Naturgewalt.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 237)

Leiblichkeit und Natur

Die αισθησις des Menschen ist von Natur im Durchgang durch Sinnesorgane und Leiblichkeit. Aber eben deshalb ist im Menschen die Leiblichkeit von Anfang an eine andere als bloße Natur: ursprünglich in das Seinserstrebnis eingespannt.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 236)

Die Seele als solche ist Seinserstrebnis

Die Seele als solche ist Seinserstrebnis, das sagt: der Mensch ist existierend immer schon, aus sich herausgetreten, beim Seienden, weil ausgerichtet auf den ihm umwaltenden Gesichtskreis des Seins. Das Seinserstrebnis aber ist zugleich die Weise, in der die Seele ursprünglich bei sich selbst ist. Denn sie selbst ist ursprünglich das Verhältnis zu..., das Verhältnis des Erstrebens, das in sich auf sich zurückstrebt, und sie ist also bei sich, sofern sie in diesem Erstrebnis sich hält.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 232)
Alles Vor-sich-haben und Haben überhaupt von Seiendem gründet in einem Erstreben des Seins. Das Sein also (Was-sein, Anderes-sein und so fort, aber auch Farbigkeit, Härte) ist immer schon er-blickt und im Spiel bei einem Wahrnehmen von Seiendem. Es ist im Erstreben da-behalten, obzwar nicht erfaßt, und es ist das Be-strebte im Streben auf uns zu-gehalten, damit es uns dieses und jenes als Farbiges und Tönendes habbar mache.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 232)

Doppelte Fähigkeit der Seele

Auf der einen Seite ist das in sich verlorene, unmittelbare Wahrnehmen des Harten, Farbigen, Tönenden, das angewiesen ist auf Durchgang durch Organe, wobei aber auch schon, obzwar hinsicht- und begrifflos, Härte, Farbigkeit und dergleichen verstanden ist; auf der anderen Seite die freie Möglichkeit, auf das so immer schon Erblickte hinzusehen und es zu gliedern und durch solche Gliederung sich aufzuhellen. (...). Beides ist ein und dasselbe. Die Seele des Menschen, eine und dieselbe Seele, muß und kann das eine und das andere.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 230)

Sein und Zeit

Das Verhältnis zum Sein ist in sich ein Rechnen mit der Zeit.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 226)

σκοπεισθαι

Was wir eigentlich »im Auge haben«, ist gerade das, was wir gemeinhin nicht anblicken, sondern nur im Auge haben, und zwar medial: für uns (für unser Verhalten) maßgebend. Also ist σκοπεισθαι zielendes Sehen, daher strebendes Sehen und daher geeignet, den Charakter des Er-strebens zu kennzeichnen. Das Erstrebnis des Seins ist nicht blinder Drang, sondern sehendes Streben, das erblickt und im Auge hat das, was es erstrebt, σκοπεισθαι heißt eigentlich nicht erblicken, sich damit beschäftigen, sondern mit etwas anderem beschäftigt sein und dabei (bzw. dafür) im voraus im Auge haben.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 222-3)
Erfreulichkeit und Unerfreulichkeit, ganz weit genommen, gehören also mit zum Bezirk der Vernehmbarkeit, der uns umhält, in den Umkreis dessen, was in unserem Erstrebnis steht, ebenso wie Gleichsein, Verschiedensein usw.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 221)

Gestimmtheit auf (Un)Erfreulichkeit

Die Gestimmtheit, die unser Dasein ständig von Grund aus durchstimmt, könnte nicht sein, was sie ist, wenn sie nicht im voraus unsere Existenz auf Erfreulichkeit des begegnenden Seienden, und Unerfreulichkeit, abgestimmt hätte. Nur sofern unser Dasein daraufhin abgestimmt ist und damit auf die Möglichkeiten des Wandels und der Tönung der Stimmung, also nur insofern im Erstrebnis der Seele Erfreulichkeit und Unerfreulichkeit steht, kann uns Erfreulich-seiendes, etwa Schön-seiendes, begegnen.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 221)

Was der Mensch »hat«

Im Grunde strebt der eigentlich existierende Mensch nicht, um zu haben und zu besitzen, sondern umgekehrt: er »hat« und besitzt, d.h. Seiendes ist ihm mit seinem Da-sein zu-gewiesen und er darauf an-gewiesen, damit er im Erstrebnis des Seins das Da-sein selbst erstrebe, worin überhaupt geschieht, daß Seiendes seiend und un-seiend wird.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 217)

Erstreben und Haben

Das Seinsverhältnis als Seinserstrebnis aber, ερως, ist nicht nur das eigentlichste Streben (im Sinne des Er-strebens), von dem aus das Dasein des Menschen getragen wird, sondern als dieses zugleich das eigentliche Haben. Denn 1.: im Erstreben wird das Bestrebte nie wie ein Ding und dergleichen in Besitz genommen, sondern ungenommen als Bestrebtes erhalten. 2. Diese Erhaltung aber hält das Bestrebte auf das Strebende selbst zurück, damit es für dessen Verhalten zum Seienden Maß und Gesetz werde und so Existenz aus dem Grunde des Seienden im Ganzen ermögliche. Dadurch aber, in solchem Er-streben, hält der Mensch als ein Existierender sich selbst inmitten des Seienden, d.h. im Erstrebnis hat er das Seiende sowohl wie, in diesem, sich selbst, — so wie er überhaupt als Mensch etwas haben kann.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 216-7)

Be-streben und Er-streben

Solches Streben strebt nicht nach dem Besitz des Bestrebten, sondern darauf, daß es ein Be-strebtes, im Streben Gehaltenes bleibe, damit der Strebende von ihm her auf sich zu sich selbst finde. Solches Streben, qua Erstreben, wäre dann ein eigentliches Streben, in dem das Strebende Selbst nicht von sich weg strebt, sondern auf sich zurück, um so strebend sich selbst zu er-streben, d.h. im Streben sich selbst zu gewinnen. Das Bestrebte und Erstrebte decken sich nicht, aber gehen gewiß im Wesen dieses Strebens zusammen, ja dieses Streben macht die Einheit aus.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 216)

Das Er-strebte

Zwar ist jedes Streben nach etwas ein Hin-zu (dem Bestrebten), aber dieses Hin-zu ... ist für den Strebenden nicht notwendig ein Weg-von-sich-selbst. Vielmehr läß sich (zunächst) ein Streben denken, das im Hin-zu auf das Bestrebte gerade dieses Bestrebte als ein solches fest und dabei auf sich selbst zu hält, um in diesem Auf-sich-zu-halten des Bestrebten sich selbst zu finden, und zwar sich selbst nicht als einen Punkt und einen Ding und ein Subjekt, sondern sich selbst im Sinne des Wesens der Seele, die wesenhaft Verhältnis ist, — und also sich selbst zu finden gerade als dieses Strebensverhältnis zum Bestrebten. Wir nennen dieses jetzt nur als möglich gedachte Streben das Er-streben.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 215)

Sein im Vernehmen kein Gehabtes, sondern Erstrebtes

Wahrnehmung ist kein Erfassen des Seienden als eines solchen. Im Wahrnehmen wird das Seiende vernommen, aber nicht das Sein: dieses ist dabei kein Vernommenes, im Hinnehmen gleichfalls Gehabtes. Das Verhältnis zum Sein im unmittelbaren Wahrnehmen von Seiendem ist daher überhaupt nicht ein Vernehmen.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 209)

Vertrautheit des Seienden

Die Vertrautheit des Seienden selbst ist entwurzelt, aber diese Wurzellosigkeit selbst ist nicht etwas Negatives, sondern hat sich gleichsam selbst organisiert und hat nun die Herrschaft, d.h. die Regelung und Gesetzgebung übernommen, — dessen, was das Verhältnis des Menschen zum Sein und zum Seienden sein soll. Ob etwas »etwas ist«, ob, wie wir sagen, an etwas »etwas daran« sei, das entscheidet nicht mehr zuerst das Seiende selbst und die Macht, in der es den Menschen unmittelbar anzusprechen vermag, sondern etwas ist erst dann etwas oder ist nichts, wenn man darüber redet oder nicht, wenn man sich dafür interessiert.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 209)

Verstehen von Sein immer schon da

Dieses zwiefache »los und ledig«, daß wir es weder auf das Sein absehen noch es gar begreifen, diese Ledigkeit von all dem hält uns gerade frei dafür, uns an das Begegnende zu verlieren. Aber dieses »los von der Hinsicht auf Sein« und »los vom Begriff des Seins« heißt nicht, das Sein werde jetzt überhaupt noch nicht verstanden. Ganz im Gegenteil, unser Verstehen des »ist« und »Sein« schwindet nicht dadurch, daß wir uns nicht damit befassen. Vielmehr umgekehrt liegt es: dieses Verstehen von Sein ist mit unserem Dasein immer schon da; nur deshalb können wir zuweilen oder oft die Hinsicht darauf nehmen und ein Seiendes eigens als ein seiendes uns vornehmen und zum Gegenstand machen.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 208)

Begriffloses verstehen

Wir verstehen das Wort »ist« (»Sein«), wir kennen die Bedeutung; aber wir wissen nicht zu sagen, was wir »eigentlich« damit meinen. Wenn wir auf den Kopf zu gefragt werden: was bedeutet dieses »ist«, verstehen wir es, aber wir begreifen es nicht. Wir haben vom »ist« keinen Begriff. Wir verstehen »ist« und »sein« aber ohne Begriff, — begrifflos.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 207)

Hinsichtloses vernehmen

Das Seiende ist im unmittelbaren Wahrnehmen, wie wir sagen, hinsichtlos vernommen.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 206)

Seele ist Seinserstrebnis

Das Sein ist das, woraufzu die Seele hinstrebt, — nicht nur gelegentlich und nicht zu irgendeinem Zweck, sondern von sich aus, ihrem Wesen nach und einzig eben für sich. Die Seele ist dieses Strebnis nach dem Sein. (...). »Seele« ist jetzt einfach das Wort für Seinserstrebnis.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 205)

Das Vorhaltende

[Die Seele] ist ja in sich dieser Durchgang, das sich den Bezirk einer Einheit des Vernehmbaren Vorhaltende. So, vorhaltend den Bezirk, geht sie durch diesen durch. Sie ist in sich, als solche, erstreckt zu Anderem hin, das ihr gegeben werden kann, und hält sich ständig und nur in solcher Erstreckung.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 196-7)

Durchgang der Seele durch sich selbst

Für das Vernehmen von Sein, Nichtsein, Gleichsein, Andersheit und dergleichen ist kein eigener Durchgang da wie für das Vernehmen von Farbe, Ton, usw., ja überhaupt kein körperliches, leibliches Organ; sondern die Seele selbst, δι' αυτης, geht beim Vernehmen von jenem (Sein) durch sich selbst hindurch und faßt so das von uns aufgewiesene Gemeine in den Blick.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 195)
Ουσιαν λεγεις και το μη ειναι, και ομοιοτητα και ανομοιοτητα, και το ταυτον τε και το ετερον, ετι δε εν τε και τον αλλον αριθμον περι αυτων.

»Das Sein und das Nichtsein, die Gleichheit und Ungleichheit, das Selbigsein, das Gezählt-sein.«

P***
(185 c 9)