Musikindustrie als Massenmörder der Menschheit

Den von der Musikindustrie total vernichteten Menschen sehe ich schon, sagte Reger (...). Die Musikindustrie ist der Menschenmörder, die Musikindustrie ist der eigentliche Massenmörder der Menschheit, die, wenn die Musikindustrie so weiter macht, wie bisher, schon in Jahrzehnten keine einzige Chance mehr hat, mein lieber Atzbacher, so Reger erregt.

B***

(Alte Meister, S. 173).

Totale Musik

Diese heutige Generation stellt merkwürdigerweise nicht mehr diese höchsten Ansprüche an die Musik, die noch vor fünfzehn und zwanzig Jahren an die Musik gestellt worden sind. Das liegt daran, daß das Musikhören zu einer banalen Alltäglichkeit geworden ist durch die Technik. Das Musikhören ist nichts Außergewöhnliches mehr, überall hören Sie heute Musik, gleich wo Sie sich aufhalten. (...) dieses Zeitalter ist total von Musik untermalt, das ist die Katastrophe, so Reger. In unserer Zeit ist die totale Musik ausgebrochen, überall zwischen Nordpol und Südpol müssen Sie sie hören, ob in der Stadt oder auf dem Land, auf dem Meer oder in der Wüste, so Reger.

B***

(Alte Meister, S. 172).

Körperarzt und Seelenarzt

Ein guter Arzt, ist das beste, das wir haben können, sagte Reger, aber kaum jemand hat einen guten Arzt, wir haben es ja doch immer nur mit medizinischen Stümpern und Scharlatanen zu tun, sagte er, und glauben wir einmal, jetzt haben wir einen guten Arzt gefunden, so ist er entweder zu alt oder zu jung, entweder er versteht etwas von der neuesten Medizin und hat keine Erfahrung oder er hat Erfahrung und versteht nichts von der neuesten Medizin, so ist es, sagte Reger. Der Mensch braucht ganz dringend einen Körperarzt und einen Seelenarzt und beide findet er nicht, lebenslänglich ist er auf der Suche nach einem guten Körperarzt und nach einem guten Seelenarzt und beide gibt es für ihn nicht, das ist die Wahrheit.

B***

(Alte Meister, S. 169).

Der Schlag

Wenn ich sage, mich trifft der Schlag, so glaube ich tatsächlich, daß mich der Schlag trifft, auch wenn ich es schon Tausende Male sagte, sagte Reger, mir selbst geht es schon auf die Nerven, alle Augenblicke sage ich, mich trifft der Schlag und er hat mich nicht getroffen, sagte Reger. Auch in Ihrer Gegenwart habe ich ja schon oft gesagt, daß ich denke, mich trifft der Schlag und er hat mich doch nicht getroffen, ich sage das durchaus nicht aus Gewohnheit, sondern weil ich das tatsächliche Gefühl habe, daß mich der Schlag trifft.

B***

(Alte Meister, S. 168).

Kunstegoismus

Auch wenn das Unsinn ist, so Reger damals, wenn ich ein Buch lese, habe ich doch das Gefühl und den Verstand, das Buch sei nur für mich geschrieben worden, wenn ich ein Bild anschaue, das Gefühl und den Verstand, es ist nur für mich gemalt worden, die Komposition die ich höre, sie ist nur für mich komponiert worden. Ich lese dann und höre dann und schaue dann naturgemäß in einen großen Irrtum, aber doch mit einem sehr hohen Genuß, so Reger damals.

B***

(Alte Meister, S. 159).

Modisch

Alles das in Mode ist, hat mich immer abgestoßen. 

B***

(Alte Meister, S. 158).

Kitschig

Alles Menschliche ist kitschig, sagte er, darüber besteht kein Zweifel. Auch die hohe und die höchste Kunst ist es.

B***

(Alte Meister, S. 121).

Karikatur

Es ist ja eine Methode, sagte er gestern, während ich ihn jetzt, einen Tag später also, von der Seite betrachtete und dahinter den Irrsigler, der einen Augenblick in den Sebastiano-Saal hereingeschaut hatte, ohne von mir Notiz zu nehmen, während ich also noch immer Reger beobachtete, der noch immer den Weißbärtigen Mann von Tintoretto betrachtete, es ist ja auch eine Methode, sagte er, alles zur Karikatur zu machen.

B***

(Alte Meister, S. 73-74).

Die Hölle

Wenn es eine Hölle gibt, und natürlich gibt es die Hölle, sagte er, dann ist meine Kindheit die Hölle gewesen. Wahrscheinlich ist die Kindheit immer eine Hölle, die Kindheit ist die Hölle, sagte er, gleich was für eine Kindheit, sie ist die Hölle. Die Leute sagen, sie haben eine schöne Kindheit gehabt, aber es war doch die Hölle. Die Leute verfälschen alles, sie verfälschen auch die Kindheit, die sie gehabt haben. Sie sagen, ich habe eine schöne Kindheit gehabt, und sie haben doch nur die Hölle gehabt. Je älter die Leute werden, desto leichter sagen sie, sie hätten eine schöne Kindheit gehabt, wo es doch nichts anderes gewesen ist als die Hölle. Die Hölle kommt nicht, die Hölle war, sagte er, denn die Hölle ist die Kindheit.

B***
 
(Alte Meister, S. 67).

Die Kunst ist das Höchste

Die Kunst ist das Höchste und Widerwärtigste gleichzeitig, sagte er. Aber wir müssen uns einreden, daß es die hohe und höchste Kunst gibt, sagte er, sonst verzweifeln wir. Auch wenn wir wissen, daß jede Kunst in die Unbeholfenheit und Lächerlichkeit und im Müll der Geschichte endet, wie alles andere auch, müssen wir geradezu selbstsicher an die hohe und an die höchste Kunst glauben, sagte er. Wir wissen, was sie ist, eine stümperhafte, gescheiterte, aber wir dürfen dies Wissen nicht immer wahrhaben, weil wir dann zugrunde gehen unweigerlich, sagte er.

B***

(Alte Meister, S. 50-51).

Niedertracht der Kunst

Die Künstler, die sogenannten großen Künstler, so Reger, denke ich, sind außerdem die skrupellosesten aller Menschen, sie sind noch viel skrupelloser als die Politiker. Die Künstler sind die Verlogensten, noch viel verlogener als die Politiker, also die Kunstkünstler sind noch viel verlogener als die Staatskünstler, höre ich jetzt wieder Reger. Diese Kunst wendet sich doch immer dem Allmächtigen und den Mächtigen zu und von der Welt ab, so Reger oft, das ist ihre Niedertracht. Armselig ist diese Kunst, weiter nichts, höre ich jetzt Reger gestern sagen, während ich ihn heute vom Sebastiano-Saal aus beobachte.

B***

(Alte Meister, S. 40-41).

Nur da, wo wir das Fragment sehen

Die höchste Lust haben wir ja an den Fragmenten, wie wir am Leben ja auch dann die höchste Lust empfinden, wenn wir es als Fragment betrachten, und wie grauenhaft ist uns das Ganze und ist uns im Grunde das fertige Vollkommene. Erst wenn wir das Glück haben, ein Ganzes, ein Fertiges, ja ein Vollendetes, zum Fragment zu machen, wenn wir daran gehen, es zu lesen, haben wir den Hoch- ja unter Umständen den Höchstgenuß daran. Unser Zeitalter ist als Ganzes ja schone lange Zeit nicht mehr auszuhalten, sagte er, nur da, wo wir das Fragment sehen, ist es uns erträglich, sagte er.

B***

(Alte Meister, S. 27-28).

Hochgradig talentierter Umblätterer

(...) meine Art zu lesen ist die eines hochgradig talentierten Umblätterers, also eines Mannes, der lieber umblättert, als liest, der also Dutzende, unter Umständen Hunderte von Seiten umblättert, bevor er eine einzige liest, aber wenn der Mann eine Seite liest, so liest er sie so gründlich, wie keiner, und mit der größten Leseleidenschaft, die sich denken läßt. Ich bin mehr Umblätterer als Leser, müssen Sie wissen, und ich liebe das Umblättern genauso wie das Lesen, ich habe in meinem Leben millionenmal mehr umgeblättert, als gelesen (...).

B***

(Alte Meister, S. 26).

Die Kunsthistoriker als Kunstvernichter

Die Kunsthistoriker sind die eigentlichen Kunstvernichter, sagte Reger. Die Kunsthistoriker schwätzen so lange über die Kunst, bis sie sie zu Tode geschwätzt haben. Von den Kunsthistorikern wird die Kunst zu Tode geschwätzt. (...). Das Geschäft der Kunsthistoriker ist das übelste Geschäft, das es gibt, und ein schwätzender Kunsthistoriker, und es gibt ja nur schwätzende Kunsthistoriker, gehört mit der Peitsche verjagt, aus der Kunstwelt hinausgejagt, sagte Reger, hinausgejagt aus der Kusntwelt gehörten alle Kunsthistoriker, denn die Kunsthistoriker sind die eigentlichen Kunstvernichter und wir sollten uns die Kunst nicht von den Kunsthistorikern als Kunstvernichter vernichten lassen. Wenn wir einem Kunsthistoriker zuhören, wird uns übel, sagte er, indem wir einem Kunsthistoriker zuhören, sehen wir, wie die Kunst, die er beschwätzt, vernichtet wird, mit dem Geschwätz des Kunsthistorikers schrumpft die Kunst und wird vernichtet. Tausende, ja Zehntausende Kunsthistoriker verschwätzen und vernichten die Kunst, sagte er. Die Kunsthistoriker sind die tatsächlichen Kunsttöter, hören wir einem Kunsthistoriker zu, nehmen wir an die Kunstvernichtung teil, wo ein Kunsthistoriker auftritt, wird die Kunst vernichtet, das ist die Wahrheit.

B***

(Alte Meister, S. 23-24).

Im Bordone-Saal

Ich glaube nicht, sagte ich zu Irrsigler, daß die Direktion des Kunsthistorischen Museums davon Kenntnis hat, daß Herr Reger seit mehr als dreißig Jahren jeden zweiten Tag hier in das Museum hereinkommt, um auf der Sitzbank im Bordone-Saal Platz zu nehmen, das glaube ich nicht. Das wäre ja auch sicher bei irgendeinem der Zusammentreffen Regers mit der Direktorin zur Sprache gekommen, soviel ich weiß, weiß die Direktorin nichts davon, weil Herr Reger nie davon gesprochen hat und weil Sie, Herr Irrsigler, immer darüber geschwiegen haben, weil es der Wunsch Herrn Regers ist, daß Sie über die Tatsache, daß Reger seit über dreißig Jahren jeden zweiten Tag außer Montag das Kunsthistorische Museum aufsucht, schweigen. Verschwiegenheit, das ist Ihre große Stärke, habe ich zu Irrsigler gesagt, dachte ich, während ich Reger betrachtete, der den Weißbärtigen Mann von Tintoretto betrachtete, der seinerseits wider von Irrsigler in Augenschein genommen wurde.

B***

(Alte Meister, S. 16).


Erkanntwerden und Entstehen

Man nennt den Aequator oft eine g e d a c h t e Linie; aber es wäre falsch, ihn eine e r d a c h t e Linie zu nennen; er ist nicht durch Denken entstanden, das Ergebniss eines seelischen Vorgangs, sondern nur durch Denken erkannt, ergriffen. Wäre das Erkanntwerden ein Entstehen, so könnten wir nichts Positives von ihm aussagen in Bezug auf eine Zeit, die diesem vorgeblichen Entstehen vorherginge.

Fr***

(Die Grundlagen der Arithmetik, S. 35.)

Gesetze der Zahlen und des Denkens

Die arithmetischen Wahrheiten beherrschen das Gebiet des Zählbaren. Dies ist das umfassendste; denn nicht nur das Wirkliche, nicht nur das Anschauliche gehört ihm an, sondern alles Denkbare. Sollten also nicht die Gesetze der Zahlen mit denen des Denkens in der innigsten Verbindung stehen?

Fr***

(Die Grundlagen der Arithmetik, S. 21.)

Beweis

Der Beweis hat eben nicht nur den Zweck, die Wahrheit eines Satzes über jeden Zweifel zu erheben, sondern auch den, eine Abhängigkeit der Wahrheiten von einander zu gewähren.

Fr***

(Die Grundlagen der Arithmetik, S. 2.)