Wünschen

Die durchschnittliche Alltäglichkeit des Besorgens wird möglichkeitsblind und beruhigt sich bei dem nur »Wirklichen«. Diese Beruhigung schließt eine ausgedehnte Betriebsamkeit des Besorgens nicht aus, sondern weckt sie. Gewollt sind dann nicht positive neue Möglichkeiten, sondern das Verfügbare wird »taktisch« in der Weise geändert, daß der Schein entsteht, es geschehe etwas.

Das beruhigte »Wollen« unter Führung des Man bedeutet gleichwohl nicht ein Auslöschen des Seins zum Seinkönnen, sondern nur eine Modifikation. Das Sein zu den Möglichkeiten zeigt sich dann zunächst als bloßes Wünschen. Im Wunsch entwirft das Dasein sein Sein auf Möglichkeiten, die im Besorgen nicht nur unergriffen bleiben, sondern deren Erfüllung nicht einmal bedacht und erwartet wird.

H***
(Sein und Zeit, S. 195).

Wollen

Das Seinkönnen, worumwillen das Dasein ist, hat selbst die Seinsart des In-der-Welt-seins. In ihm liegt demnach ontologisch der Bezug auf innerweltlich Seiendes. Sorge ist immer, wenn auch nur privativ, Besorgen und Fürsorge. Im Wollen wird ein verstandenes, das heißt auf seine Möglichkeiten entworfenes Seiendes als zu besorgendes bzw. als durch Fürsorge in sein Sein zu bringendes ergriffen. Deshalb gehört zum Wollen je ein Gewolltes, das sich schon bestimmt hat aus einem Worum-willen. Für die ontologische Möglichkeit von wollen ist konstitutiv: die vorgängige Erschlossenheit von Besorgbarem (Welt als das Worin des Schon-seins) und das verstehende Sichentwerfen des Daseins auf ein Seinkönnen zu einer Möglichkeit des »gewollten« Seienden. Im Phänomen des Wollens blickt die zugrundeliegende Ganzheit der Sorge durch.

H***
(Sein und Zeit, S. 194).

Uneigentlichkeit

Im Sich-vorweg-sein als Sein zum eigensten Seinkönnen liegt die existenzial-ontologische Bedingung der Möglichkeit des Freiseins für eigntliche existenzielle Möglichkeiten. Das Seinkönnen ist es, worumwillen das Dasein je ist, wie es faktisch ist. Sofern nun aber dieses Sein zum Seinkönnen selbst durch die Freiheit bestimmt wird, kann sich das Dasein auch unwillentlich verhalten, es kann uneigentlich sein und ist faktisch zunächst und zumeist in dieser Weise. Das eigentliche Worumwillen bleibt unergriffen, der Entwurf des Seinkönnens seiner selbst ist der Verfügung des Man überlassen. Im Sich-vorweg-sein meint daher das »Sich« jeweils das Selbst im Sinne des Man-selbst. Auch in der Uneigentlichkeit bleibt das Dasein wesenhaft Sich-vorweg, ebenso wie das verfallende Fliehen des Daseins vor ihm selbst noch die Seinsverfassung zeigt, daß es diesem Seienden um sein Sein geht.

H***
(Sein und Zeit, S. 193).

Ontologische Strukturganzheit

Die formal existenziale Ganzheit des ontologischen Strukturganzen des Daseins muß daher in folgender Struktur gefaßt werden: Das Sein des Daseins besagt: Sich-vorweg-schon-sein-in-(der-Welt) als Sein-bei (innerweltlich begegnendem Seienden).

H***
(Sein und Zeit, S. 192).

Das Sich-vorweg-sein des Daseins

Das Freisein für das eigenste Seinkönnen und damit für die Möglichkeit von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit zeigt sich in einer ursprünglichen, elementaren Konkretion in der Angst. Das Sein zum eigensten Seinkönnen besagt aber ontologisch: das Dasein ist ihm selbst in seinem Sein je schon vorweg. Dasein ist immer schon »über sich hinaus«, nicht als Verhalten zu anderem Seienden, das es nicht ist, sonder als Sein zum Seinkönnen, das es selbst ist. Diese Seinsstruktur des wesenhaften »es geht um...« fassen wir als das Sich-vorweg-sein des Daseins.

H***
(Sein und Zeit, S. 191-2).

Das Un-zuhause

Das beruhigt-vertraute In-der-Welt-sein ist ein Modus der Unheimlichkeit des Daseins, nicht umgekehrt. Das Un-zuhause muß existenzial-ontologisch als das ursprünglichere Phänomen begriffen werden.

H***
(Sein und Zeit, S. 189).

Unheimlichkeit des Daseins

Die verfallende Flucht in das Zuhause der Öffentlichkeit ist Flucht vor dem Unzuhause, das heißt der Unheimlichkeit, die im Dasein als geworfenen, ihm selbst in seinem Sein überantworteten In-der-Welt-sein liegt. Diese Unheimlichkeit setzt dem Dasein ständig nach und bedroht, wenngleich unausdrücklich, seine alltägliche Verlorenheit in das Man.

H***
(Sein und Zeit, S. 189).

Das Sichängsten

Wovor die Angst sich ängstet, ist das In-der-Welt-sein selbst.

Das Sichängsten erschließt ursprünglich und direkt die Welt als Welt. Nicht wird etwa zunächst durch Überlegung von innerweltlich Seiendem abgesehen und nur noch die Welt gedacht, vor der dann die Angst entsteht, sondern die Angst erschließt als Modus der Befindlichkeit allererst die Welt als Welt. Das bedeutet jedoch nicht, daß in der Angst die Weltlichkeit der Welt begriffen wird.

H***
(Sein und Zeit, S. 187).

Das Wovor der Angst

Das Wovor der Angst ist das In-der-Welt-sein als solches.

Nichts von dem, was innerhalb der Welt zuhanden und vorhanden ist, fungiert als das, wovor die Angst sich ängstet. Die innerweltlich entdeckte Bewandtnisganzheit des Zuhandenen und Vorhandenen ist als solche überhaupt ohne Belang. Sie sinkt in sich zusammen. Die Welt hat den Charakter völliger Unbedeutsamkeit.

H***
(Sein und Zeit, S. 186).

Das Zurückweichen

Im Verfallen kehrt sich das Dasein von ihm selbst ab. Das Wovor dieses Zurückweichens muß überhaupt den Charakter des Bedrohens haben; es ist jedoch Seiendes von der Seinsart des zurückweichenden Seienden, es ist das Dasein selbst. Das Wovor dieses Zurückweichens kann nicht als »Furchtbares« gefaßt werden, weil dergleichen immer als innerweltlich Seiendes begegnet.

H***
(Sein und Zeit, S. 185).

Die Abkehr

In dieser verfallenden Abkehr ist freilich das Wovor der Flucht nicht erfaßt, ja sogar auch nicht in einer Hinkehr erfahren. Wohl aber ist es in der Abkehr von ihm erschlossen »da«. Die existenziell-ontische Abkehr gibt auf Grund ihres Erschlossenheitscharakters phänomenal die Möglichkeit, existenzial-ontologisch das Wovor der Flucht als solches zu fassen.

H***
(Sein und Zeit, S. 185).

Flucht des Daseins

Existenziell ist zwar im Verfallen die Eigentlichkeit des Selbstseins verschlossen und abgedrängt, aber diese Verschlossenheit ist nur die Privation einer Erschlossenheit, die sich phänomenal darin offenbart, daß die Flucht des Daseins Flucht vor ihm selbst ist. Im Wovor der Flucht kommt das Dasein gerade »hinter« ihm her. Nur sofern Dasein ontologisch wesenhaft durch die ihm zugehörende Erschlossenheit überhaupt vor es selbst gebracht ist, kann es vor ihm fliehen.

H***
(Sein und Zeit, S. 184).

Angst und Seinsganzheit des Daseins

Die Angst gibt als Seinsmöglichkeit des Daseins in eins mit dem in ihr erschlossenen Dasein selbst den phänomenalen Boden für die explizite Fassung der ursprünglichen Seinsganzheit des Daseins. Dessen Sein enthüllt sich als die Sorge.

H***
(Sein und Zeit, S. 182).

Strukturganzheit des Daseins

Die durchschnittliche Alltäglichkeit des Daseins kann demnach bestimmt werden als das verfallend-erschlossene, geworfen-entwerfende In-der-Welt-sein, dem es in seinem Sein bei der »Welt« und im Mitsein mit Anderen um das eigenste Seinkönnen geht.

H***
(Sein und Zeit, S. 181).

Verfallenheit und eigentliche Existenz

Wenn wir jedoch das Sein des Daseins in der aufgezeigten Weise des In-der-Welt-seins festhalten, dann wird offenbar, daß das Verfallen als Seinsart dieses In-Seins vielmehr den elementarsten Beweis für die Existenzialität des Daseins darstellt. Im Verfallen geht es um nichts anderes als um das In-der-Welt-sein-können, wenngleich im Modus der Uneigentlichkeit. Das Dasein kann nur verfallen, weil es ihm um das verstehend-befindliche In-der-Welt-sein geht. Umgekehrt ist die eigentliche Existenz nichts, was über der verfallenden Alltäglichkeit schwebt, sondern existenzial nur ein modifiziertes Ergreifen dieser.

H***
(Sein und Zeit, S. 179).

Absturz

Die aufgezeigten Phänomene der Versuchung, Beruhigung, der Entfremdung und des Sichverfangens (das Verfängnis) charakterisieren die spezifische Seinsart des Verfallens. Wir nennen diese »Bewegtheit« des Daseins in seinem eigenen Sein den Absturz. Das Dasein stürzt aus ihm selbst in es selbst, in die Bodenlosigkeit und Nichtigkeit der uneigentlichen Alltäglichkeit. Dieser Sturz aber bleibt ihm durch die öffentliche Ausgelegtheit verborgen, so zwar, daß er ausgelegt wird als »Aufstieg« und »konkretes Leben«.

H***
(Sein und Zeit, S. 178).

Beruhigung und Verfallen

Die Vermeintlichkeit des Man, das volle und echte »Leben« zu nähren und zu führen, bringt eine Beruhigung in das Dasein, für die alles »in bester Ordnung« ist, und der alle Türen offenstehen. Das verfallende In-der-Welt-sein ist sich selbst versuchend zugleich beruhigend.

Diese Beruhigung im uneigentlichen Sein verführt jedoch nicht zu Stillstand und Tatenlosigkeit, sondern treibt die Hemmungslosigkeit des »Betriebs«. Das Verfallensein an die »Welt« kommt jetzt nicht etwa zur Ruhe. Die versucherische Beruhigung steigert das Verfallen.

H***
(Sein und Zeit, S. 177-8).

Das Verfallen

Gerede, Neugier und Zweideutigkeit charakterisieren die Weise, in der das Dasein alltäglich sein »Da«, die Erschlossenheit des In-der-Welt-seins ist. Diese Charaktere sind als existenziale Bestimmtheiten am Dasein nicht vorhanden, sie machen dessen Sein mit aus. In ihnen und in ihrem seinsmäßen Zusammenhang enthüllt sich eine Grundart des Seins der Alltäglichkeit, die wir das Verfallen des Daseins nennen.

Das Dasein ist von ihm selbst als eigentlichem Selbstseinkönnen zunächst immer schon abgefallen und an die »Welt« verfallen. Die Verfallenheit an die »Welt« meint das Aufgehen im Miteinandersein, sofern dieses durch Gerede, Neugier und Zweideutigkeit geführt wird.

H***
(Sein und Zeit, S. 175).

Das Miteinandersein im Man

Das Miteinandersein im Man ist ganz und gar nicht ein abgeschlossenes, gleichgültiges Nebeneinander, sondern ein gespanntes, zweideutiges Aufeinander-aufpassen, ein heimliches Sich-gegenseitig-abhören. Unter der Maske des Füreinander spielt ein Gegeneinander.

Dabei ist zu beachten, daß die Zweideutigkeit gar nicht erst einer ausdrücklichen Absicht auf Verstellung und Verdrehung entspringt, daß sie nicht vom einzelnen Dasein erst hervorgerufen wird. Sie liegt schon im Miteinandersein als dem geworfenen Miteinandersein in einer Welt. Aber öffentlich ist sie gerade verborgen, und man wird sich immer dagegen wehren, daß diese Interpretation der Seinsart der Ausgelegtheit des Man zutrifft. Es wäre ein Misverständnis, wollte die Explikation dieser Phänomene durch die Zustimmung des Man sich bewähren.

H***
(Sein und Zeit, S. 175).

Das Verstehen versieht sich

Die Zweideutigkeit der öffentlichen Ausgelegtheit gibt das weg-bereden und neugierige Ahnen für das eigentliche Geschehen aus und stempelt Durchführen und Handeln zu einem Nachträglichen und Belanglosen. Das Verstehen des Daseins im Man versieht sich daher in seinen Entwürfen ständig hinsichtlich der echten Seinsmöglichkeiten. Zweideutig ist das Dasein immer »da«, das heißt in der öffentliche Erschlossenheit des Miteinanderseins, wo das lauteste Gerede und die findigste Neugier den »Betrief« im Gang halten, da, wo alltäglich alles und im Grunde nichts geschieht.

H***
(Sein und Zeit, S. 174).

Die Zweideutigkeit

Wenn im alltäglichen Miteinandersein dergleichen begegnet, was jedem zugänglich ist und worüber jeder jedes sagen kann, wird bald nicht mehr entscheidbar, was in echtem Verstehen erschlossen ist und was nicht. Diese Zweideutigkeit erstreckt sich nicht allein auf die Welt, sondern ebensosehr auf das Miteinandersein als solches, sogar auf das Sein des Daseins zu ihm selbst.

H***
(Sein und Zeit, S. 173).

Die Neugier

Die freigewordene Neugier besorgt aber zu sehen, nicht um das Gesehene zu verstehen, das heißt in ein Sein zu ihm zu kommen, sondern nur um zu sehen. Sie sucht das Neue nur, um von ihm erneut zu Neuem abzuspringen. Nicht um zu erfassen und um wissend in der Wahrheit zu sein, geht es der Sorge dieses Sehens, sondern um die Möglichkeiten des Sichüberlassens an die Welt. Daher ist die Neugier durch ein spezifisches Unverweilen beim Nächsten charakterisiert. Sie sucht daher auch nicht die Muße des betrachtenden Verweilens, sondern Unruhe und Aufregung durch das immer Neue und dem Wechsel des Begegnenden. In ihrem Unverweilen besorgt die Neugier die ständige Möglichkeit der Zerstreuung.

H***
(Sein und Zeit, S. 172).

Das Gerede .6

Das Gerede, das in der gekennzeichneten Weise verschließt, ist die Seinsart des entwurzelten Daseinsverständnisses. Es kommt jedoch nicht als vorhandener Zustand an einem Vorhandenen vor, sondern existenzial entwurzelt ist es selbst in der Weise der ständigen Entwurzelung. Das besagt ontologisch: Das im Gerede sich haltende Dasein ist als In-der-Welt-sein von den primären und ursprünglich-echten Seinsbezügen zur Welt, zum Mitdasein, zum In-Sein selbst abgeschnitten.

H***
(Sein und Zeit, S. 170).

Das Gerede .5

Das Gerede ist sonach von Hause aus, gemäß der ihm eigenen Unterlassung des Rückgangs auf den Boden des Beredeten, ein Verschließen.

Dieses wird erneut dadurch gesteigert, daß das Gerede, darin vermeintlich das Verständnis des Beredeten erreicht ist, auf Grund dieser Vermeintlichkeit jedes neue Fragen und alle Auseinandersetzung hintanhält und in eigentümlicher Weise niederhält und retardiert.

H***
(Sein und Zeit, S. 169).

Das Gerede .4

Die Rede, die zur wesenhaften Seinsverfassung des Daseins gehört und dessen Erschlossenheit mit ausmacht, hat die Möglichkeit, zum Gerede zu werden und als dieses das In-der-Welt-sein nicht so sehr in einem gegliederten Verständnis offenzuhalten, sondern zu verschließen und das innerweltlich Seiende zu verdecken. Hierzu bedarf es nicht einer Absicht auf Täuschung. Das Gerede hat nicht die Seinsart des bewußten Ausgebens von etwas als etwas. Das bodenlose Gesagtsein und Weitergesagtwerden reicht hin, daß sich das Erschließen verkehrt zu einem Verschließen.

H***
(Sein und Zeit, S. 169).

Das Gerede .3

Die Bodenlosigkeit des Geredes versperrt ihm nicht den Eingang in die Öffentlichkeit, sondern begünstigt ihn. Das Gerede ist die Möglichkeit, alles zu verstehen ohne vorgängige Zueignung der Sache. Das Gerede behütet schon vor der Gefahr, bei einer solchen Zueignung zu scheitern. Das Gerede, das jeder aufraffen kann, entbindet nicht nur von der Aufgabe echten Verstehens, sondern bildet eine indifferente Verständlichkeit aus, der nichts mehr verschlossen ist.

H***
(Sein und Zeit, S. 169).

Das Gerede .2

Das Hören und Verstehen hat sich vorgängig an das Geredete als solches geklammert. Die Mitteilung »teilt« nicht den primären Seinsbezug zum beredeten Seienden, sondern das Miteinandersein bewegt sich im Miteinanderreden und Besorgen des Geredeten. Ihm liegt daran, daß geredet wird. Das Gesagtsein, das Diktum, der Ausspruch stehen jetzt ein für die Echtheit und Sachgemäßheit der Rede und ihres Verständnisses. Und weil das Reden den primären Seinsbezug zum beredeten Seienden verloren bzw. nie gewonnen hat, teilt es sich nicht mit in der Weise der ursprünglichen Zueignung dieses Seienden, sondern auf dem Wege des Weiter- und Nachredens. Das Geredete als solches zieht weitere Kreise und übernimmt autorativen Charakter. Die Sache ist so, weil man es sagt. In solchem Nach- und Weiterreden, dadurch sich das schon anfängliche Fehlen der Bodenständigkeit zur völligen Bodenlosigkeit steigert, konstituiert sich das Gerede.

H***
(Sein und Zeit, S. 168).

Das Gerede .1

Gemäß der durchschnittlichen Verständlichkeit, die in der beim Sichaussprechen gesprochenen Sprache schon liegt, kann die mitgeteilte Rede weitgehend verstanden werden, ohne daß sich der Hörende in ein ursprünglich verstehendes Sein zum Worüber der Rede bringt. Man versteht nicht so sehr das beredete Seiende, sondern man hört schon nur auf das Geredete als solches. Dieses wird verstanden, das Worüber nur ungefähr, obenhin; man meint dasselbe, weil man das Gesagte gemeinsam in derselben Durchschnittlichkeit versteht.

H***
(Sein und Zeit, S. 168).

Das Schweigen

Reden und Hören gründen im Verstehen. Dieses entsteht weder durch vieles Reden noch durch geschäftiges Herumhören. Nur wer schon versteht, kann zuhören.

Dasselbe existenziale Fundament hat eine andere wesenhafte Möglichkeit des Redens, das Schweigen. Wer im Miteinanderreden schweigt, kann eigentlicher »zu verstehen geben«, das heißt das Verständnis ausbilden, als der, dem das Wort nicht ausgeht. Mit dem Viel-sprechen über etwas ist nicht im mindesten gewährleistet, daß dadurch das Verständnis weiter gebracht wird. Im Gegenteil: das weitläufige Bereden verdeckt und bringt das Verstandenen in die Scheinklarheit, das heißt Unverständlichkeit der Trivialität. Schweigen heißt aber nicht stumm sein.

Nur im echten Reden ist eigentliches Schweigen möglich. Um schweigen zu können, muß das Dasein etwas zu sagen haben, das heißt über eine eigentliche und reiche Erschlossenheit seiner selbst verfügen.

H***
(Sein und Zeit, S. 164).