Der Entschluß

Der Entschluß ist gerade erst das erschließende Entwerfen und Bestimmen der jeweiligen faktischen Möglichkeit. Zur Entschlossenheit gehört notwendig die Unbestimmtheit, die jedes faktisch-geworfene Seinkönnen des Daseins charakterisiert. Ihrer selbst sicher ist die Entschlossenheit nur als Entschluß.

H***
(Sein und Zeit, S. 298).
Die Entschlossenheit löst als eigentliches Selbstsein das Dasein nicht von seiner Welt ab, isoliert es nicht auf ein freischwebendes Ich. Wie sollte sie das auch — wo sie doch als eigentliche Erschlossenheit nichts anderes als das In-der-Welt-sein eigentlich ist. Die Entschlossenheit bringt das Selbst gerade in das jeweilige besorgende Sein bei Zuhandenem und stößt es in das fürsorgende Mitsein mit den Anderen.

H***
(Sein und Zeit, S. 298).

Entschlossenheit

Die im Gewissen-haben-wollen liegende Erschlossenheit des Daseins wird demnach konstituiert durch die Befindlichkeit der Angst, durch das Verstehen als Sichentwerfen auf das eigenste Schuldigsein und durch die Rede als Verschwiegenheit. Diese ausgezeichnete, im Dasein selbst durch sein Gewissen bezeugte eigentliche Erschlossenheit — das verschwiegene, angstbereite Sichentwerfen auf das eigenste Schuldigsein — nennen wir die Entschlossenheit.

H***
(Sein und Zeit, S. 296-7).

Das Rufen ist ein Schweigen

Das Dasein gibt sich im Anruf sein eigenstes Seinkönnen zu verstehen. Daher ist dieses Rufen ein Schweigen. Die Gewissensrede kommt nie zur Verlautbarung. Das Gewissen ruft nur schweigend, das heißt der Ruf kommt aus der Lautlosigkeit der Unheimlichkeit und ruft das aufgerufene Dasein als still zu werdendes in die Stille seiner selbst zurück. Das Gewissen-haben-wollen versteht daher diese schweigende Rede einzig angemessen in der Verschwiegenheit. Sie entzieht dem verständigen Gerede des Man das Wort.

H***
(Sein und Zeit, S. 296).

Bereitschaft zur Angst

Das Rufverstehen erschließt das eigene Dasein in der Unheimlichkeit seiner Vereinzelung. Die im Verstehen mitenthüllte Unheimlichkeit wird genuin erschlossen durch die ihm zugehörige Befindlichkeit der Angst. Das Faktum der Gewissensangst ist eine phänomenale Bewährung dafür, daß das Dasein im Rufverstehen vor die Unheimlichkeit seiner Selbst gebracht ist. Das Gewissenhabenwollen wird Bereitschaft zur Angst.

H***
(Sein und Zeit, S. 295-6).

SIch in das faktische Handeln bringen

Der Ruf erschließt nichts, was positiv oder negativ sein könnte als Besorgbares, weil er ein ontologisch völlig anderes Sein meint, die Existenz. Im existenzialen Sinne dagegen gibt der rechtverstandene Ruf das »Positivste«, das heißt die eigenste Möglichkeit, die das Dasein sich vorgeben kann, als vorrufender Rückruf in das jeweils faktische Selbstseinkönnen. Den Ruf eigentlich hören bedeutet, sich in das faktische Handeln bringen.

H***
(Sein und Zeit, S. 294).

Schuldig

Der Anruf ist vorrufender Rückruf, vor: in die Möglichkeit, selbst das geworfene Seiende, das es ist, existierend zu übernehmen, zurück: in die Geworfenheit, um sie als den nichtigen Grund zu verstehen, den es in die Existenz aufzunehmen hat. Der vorrufende Rückruf des Gewissens gibt dem Dasein zu verstehen, daß es — nichtiger Grund seines nichtigen Entwurfs in der Möglichkeit seines Seins stehend — aus der Verlorenheit in das Man sich zu ihm selbst zurückholen soll, das heißt schuldig ist.

H***
(Sein und Zeit, S. 287).

Nichtigkeit seiner Selbst

Grund-seiend, das heißt als geworfenes existierend, bleibt das Dasein ständig hinter seinen Möglichkeiten zurück. Es ist nie existent vor seinem Grunde, sondern je nur aus ihm und als dieser. Grundsein besagt demnach, des eigensten Seins von Grund auf nie mächtig sein. Dieses Nicht gehört zum existenzialen Sinn der Geworfenheit. Grundseiend ist es selbst eine Nichtigkeit seiner selbst. Nichtigkeit bedeutet keineswegs Nichtvorhandensein, Nichtbestehen, sondern meint ein Nicht, das dieses Sein des Daseins, seine Geworfenheit, konstituiert.

H***
(Sein und Zeit, S. 284).

Der Ruf ist vorrufender Rückruf

Der Ruf weist das Dasein vor auf sein Seinkönnen und das als Ruf aus der Unheimlichkeit. Der Rufer ist zwar unbestimmt — aber das Woher, aus dem er ruft, bleibt für das Rufen nicht gleichgültig. Dieses Woher — die Unheimlichkeit der geworfenen Vereinzelung — wird im Rufen mitgerufen, das heißt miterschlossen. Das Woher des Rufens im Vorrufen auf.. ist das Wohin des Zurückrufens. Der Ruf gibt kein ideales, allgemeines Seinkönnen zu verstehen; er erschließt es als das jeweilig vereinzelte des jeweiligen Daseins. Der Erschließungscharakter des Rufes wird erst voll bestimmt, wenn wir ihn als vorrufenden Rückruf verstehen.

H***
(Sein und Zeit, S. 280).
Das Gewissen offenbart sich als Ruf der Sorge: der Rufer ist das Dasein, sich ängstigend in der Geworfenheit (Schon-sein-in...) um sein Seinkönnen. Der Angerufene ist eben dieses Dasein, aufgerufen zu seinem eigensten Seinkönnen (Sich-vorweg...).

H***
(Sein und Zeit, S. 254-5).
Das Dasein ruft im Gewissen sich selbst.

H***
(Sein und Zeit, S. 275).
Das Gewissen redet einzig und ständig im Modus des Schweigens..

H***
(Sein und Zeit, S. 273).

Der Ruf ist Vorruf

Was ruft das Gewissen dem Angerufenen zu? Streng genommen — nichts. Der Ruf sagt nichts aus, gibt keine Auskunft über Weltereignisse, hat nichst zu erzählen. Am wenigsten strebt er darnach, im angerufenen Selbst ein »Selbstgespräch« zu eröffnen. Dem angerufenen Selbst wird »nichts« zu-gerufen, sondern es ist aufgerufen zu ihm selbst, da heißt zu seinem eigensten Seinkönnen. Der Ruf stellt, seiner Ruftendenz entsprechend, das angerufene Selbst nicht zu einer »Verhandlung«, sondern als Aufruf zum eigensten Selbstseinkönnen ist er ein Vor(nach-»vorne«)Rufen des Daseins in seine eigensten Möglichkeiten.

H***
(Sein und Zeit, S. 273).

Manch einem

Manch einem scheint sein Weg der rechte,
aber am Ende sind es Wege des Todes.

Spr. 14,12

Zerknirscht

Das Opfer, das Gott gefällt, ist ein zerknirschter Geist.

Ps. 51,19

Ruf des Gewissens

Sich verlierend in die Öffentlichkeit des Man und sein Gerede überhört es im Hören auf das Man-selbst das eigene Selbst.

Der Ruf bricht das sich überhörende Hinhören des Daseins auf das Man, wenn er, seinem Rufcharakter entsprechend, ein Hören weckt, das in allem gegenteilig charakterisiert ist im Verhältnis zum verlorenen Hören. Wenn dieses benommen ist vom »Lärm« der mannigfaltigen Zweideutigkeit des alltäglich »neuen« Geredes, muß der Ruf lärmlos, unzweideutig, ohne Anhalt für die Neugier rufen. Was dergestalt rufend zu verstehen gibt, ist das Gewissen.

H***
(Sein und Zeit, S. 271).

Das Wählen der Wahl

Mit der Verlorenheit in das Man ist über das nächste faktische Seinkönnen des Daseins — die Aufgaben, Regeln, Maßstäbe, die Dringlichkeit und Reichweite des besorgend-fürsorgenden In-der-Welt-seins — je schon entschieden. Das Ergreifen dieser Seinsmöglichkeiten hat das Man dem Dasein immer schon abgenommen. Das Man verbirgt sogar die von ihm vollzogene stillschweigende Entlastung von der ausdrücklichen Wahl dieser Möglichkeiten. Es bleibt unbestimmt, wer »eigentlich« wählt. Dieses wahllose Mitgenommenwerden von Niemand, wodurch sich das Dasein eigens aus der Verlorenheit in das Man zurückholt zu ihm selbst. Dieses Zurückholen muß jedoch die Seinsart haben, durch deren Versäumnis das Dasein in die Uneigentlichkeit sich verlor. Das Sichzurückholen aus dem Man, das heißt die existenzielle Modifikation des Man-selbst zum eigentlichen Selbstsein muß sich als Nachholen einer Wahl vollziehen. Nachholen der Wahl bedeutet aber Wählen dieser Wahl, Sichentscheiden für ein Seinkönnen aus dem eigenen Selbst. Im Wählen der Wahl ermöglicht sich das Dasein allererst sein eigentliches Seinkönnen.

H***
(Sein und Zeit, S. 268).

Das Sein zum Tode ist wesenhaft Angst

Alles Verstehen ist befindliches. Die Stimmung bringt das Dasein vor die Geworfenheit seines »daßs-es-da-ist«. Die Befindlichkeit aber, welche die ständige und schlechthinnige, aus dem eigensten vereinzelten Sein des Daseins aufsteigende Bedrohung seiner selbst offen zu halten vermag, ist die Angst.

Das Sein zum Tode ist wesenhaft Angst.

H***
(Sein und Zeit, S. 265-6).

Der Tod erschließt dem eigensten Seinkönnen

Der Tod ist eigenste Möglichkeit des Daseins. Das Sein zu ihr erschließt dem Dasein sein eigenstes Seinkönnen, darin es um das Sein des Daseins schlechthin geht. Darin kann dem Dasein offenbar werden, daß es in der ausgezeichneten Möglichkeit seiner Selbst dem Man entrissen bleibt, das heißt vorlaufend sich je schon ihm entreißen kann. Das Verstehen dieses »Könnens« enthüllt aber erst die faktische Verlorenheit in die alltäglichkeit des Man-selbst.

H***
(Sein und Zeit, S. 264).

Der Tod als Möglichkeit

Der Tod als Möglichkeit gibt dem Dasein nichts zu »Verwirklichendes« und nichts, was es als Wirkliches selbst sein könnte. Er ist die Möglichkeit der Unmöglichkeit jeglichen Verhaltens zu..., jedes Existierens.. Im Vorlaufen in diese Möglichkeit wird sie »immer größer«, das heißt sie enthüllt sich als solche, die überhaupt kein Maß, kein mehr oder minder kennt, sondern die Möglichkeit der maßlosen Unmöglichkeit der Existenz bedeutet. Ihrem Wesen nach bietet diese Möglichkeit keinen Anhalt, um auf etwas gespannt zu sein, das mögliche Wirkliche sich »auszumalen« und darob die Möglichkeit zu vergessen. Das Sein zum Tode als Vorlaufen in die Möglichkeit ermöglicht allererst diese Möglichkeit und macht sie als solche frei.

H***
(Sein und Zeit, S. 263).

Die nächste Nähe

Die nächste Nähe des Seins zum Tode als Möglichkeit ist einem Wirklichen so fern als möglich. Je unverhüllter diese Möglichkeit verstanden wird, um so reiner dringt das Verstehen vor in die Möglichkeit als die der Unmöglichkeit der Existenz überhaupt.

H***
(Sein und Zeit, S. 262).