Entschlossenheit

Der Wille selbst kann nicht gewollt werden. Wir können uns niemals entschließen, einen Willen zu haben, in dem Sinne, daß wir uns erst den Willen zulegen; denn jene Entschlossenheit ist das Wollen selbst. (...). Jenes eigentliche Wollen im Aufbruch der Entschlossenheit, dieses Ja ist es, durch das jener Anfall des ganzen Wesens an uns und in uns kommt.

He**

(Nietzsche, S. 57).

»Wahrheit«

»Wahrheit«: das bezeichnet innerhalb meiner Denkweise nicht notwendig einen Gegensatz zum Irrtum, sondern in den grundsätzlichsten Fällen nur eine Stellung verschiedner Irrtümer zueinander.

Ni***

(Der Wille zur Macht, n. 535).

Die großen Zeitalter

Die großen Zeitalter sind, weil sie groß sind, in der Häufigkeit meist einzig und in der Dauer sehr kurz; so wie die größten Zeiten des einzelnen Menschen im einzigen Augenblick zusammengehen.

He**

(Nietzsche, S. 36).

Ko-Immunismus

Die Geschichte des zu klein verstandenen Eigenen und des zu schlecht behandelten Fremden erreicht ihr Ende in dem Moment, in dem eine globale Ko-Immunitätsstruktur unter respektvoller Einbeziehung der Einzelkulturen, der Partikularinteressen und der lokalen Solidaritäten entsteht. (...). Mit dieser Wende würde das konkret Universelle operationell. Das hilflose Ganze verwandelt sich in eine protektionsfähige Einheit.

Sl***

(Du mußt dein Leben ändern, S. 713).

Immunitäre Vernunft

Die globale immunitäre Vernunft liegt um eine ganze Stufe höher als all das, was ihre Antizipationen im philosophischen Idealismus und im religiösen Monotheismus zu erreichen vermochten. Aus diesem Grund ist die Allgemeine Immunologie die legitime Nachfolgerin der Metaphysik und die reale Theorie der »Religionen«.

Sl***

(Du mußt dein Leben ändern, S. 712).

Protektionismus des Ganzen

Alle Geschichte ist die Geschichte von Immunsystemkämpfen. Sie ist mit der Geschichte des Protektionismus und der Externalisierung identisch. Die Protektion bezieht sich immer auf ein lokales Selbst, die Externalisierung auf eine anonyme Umwelt, für die niemand Verantwortung übernimmt. (...). Weil aber die »Weltgesellschaft« den Limes erreicht und die Erde mitsamt ihren fragilen atmosphärischen und biosphärischen Systemen ein für alle Mal als den begrenzten gemeinsamen Schauplatz menschlicher Operationen dergestellt hat, stößt die Praxis der Externalisierung auf eine absolute Grenze. Von da an wird ein Protektionismus des Ganzen zum Gebot der immunitären Vernunft.

Sl***

(Du mußt dein Leben ändern, S. 712).

Fehlende Ko-Immunitätsstruktur

Sobald man es mit Lebensformen zu tun bekommt, an denen das zoon politikon Mensch mitwirkt, muß mit dem Vorrang der überindividuellen Immunitätsbündnisse gerechnet werden. In solchen Verhältnissen ist individuelle Immunität nur als Ko-Immunität zu haben. Sämtliche historischen Sozialverbände von den Urhorden bis zu den Weltreichen sind in systemischer Sicht als Ko-Immunitätsstrukturen erklärbar.

Die aktuelle Weltlage zeichnet sich dadurch aus, daß sie keine effiziente Ko-Immunitätsstruktur für die Mitglieder der »Weltgesellschaft« besitzt. Auf der höchste Ebene ist Solidarität noch ein leeres Wort.

Sl***

(Du mußt dein Leben ändern, S. 711).

Erfolgsphase eines Immunsystems

(...) ein vernünftiges Motiv (...) mit dessen Hilfe die Kluft zwischen dem erhabenen Imperativ und der praktischen Übung zu überbrücken wäre (...) läßt sich (...) allein aus einer Überlegung der Allgemeinen Immunologie gewinnen. Immunsysteme sind verkörperte bzw. institutionalisierte Verletzungs- und Schädigungserwartungen, die auf der Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremdem beruhen. Während sich die biologische Immunität auf die Ebene des Einzelorganismus bezieht, betreffen die beiden sozialen Immunsysteme die überorganismischen, sprich die kooperativen, transaktionalen, konvivialen Dimensionen menschlicher Existenz: Das solidaristische System garantiert Rechtssicherheit, Daseinsvorsorge und Verwandtschaftgefühle jenseits der jeweils eigenen Familien; das symbolische gewährt Weltbildsicherheit, Kompensation der Todesgewißheit und generationenübergreifende Normenkonstanz. Auch auf diese Ebene gilt die Definition: »Leben« ist die Erfolgsphase eines Immunsystems.

Sl***

(Du mußt dein Leben ändern, S. 709-710).

Ökologischer Imperativ

»Handle so, daß die Wirkungen deines Handelns verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.« Damit nimmt der metanoetische Imperativ für die Gegenwart, der den kategorischen zum absoluten steigert, hinreichend scharfe Konturen an. Er stellt die Forderung auf, uns auf die Monstrosität des konkret gewordenen Universellen einzulassen. Er verlangt von uns den Daueraufenthalt im Überforderungsfeld enormer Unwahrscheinlichkeiten.

Sl***

(Du mußt dein Leben ändern, S. 708).

Integrations- und Desintegrationskatastrophe

Was auch immer künftig unternommen wird, um den erkannten Gefahren zu begegnen, es steht unter dem Gesetz der steigenden Unwahrscheinlichkeit, das die heißgelaufene Evolution beherrscht. (...).

Das Gesetz der steigenden Unwahrscheinlichkeit öffnet die Aussicht auf zwei Überforderungen in einer: Was sich zur Stunde auf der Erde abspielt, ist auf der einen Seite eine real voranschreitende Integrationskatastrophe — die mit der Kolumbusfahrt 1492 lancierte, mit der spanischen Unterwerfung des Aztekenreichs 1521 in Fahrt gebrachte, durch den Welthandel zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert akzelerierte und dank der schnellen Medien des 20. Jahrhunderts bis zur effektiven Synchronisierung des Weltgeschehens vorangetriebene Globalisierung. Durch sie werden die bisher zerstreut lebenden Fraktionen der Menschheit, die sogenannten Kulturen, zu einem instabilen und von Ungleichheiten zerrissenen Kollektiv auf hohem Transaktions- und Kollisionsniveau synchronisiert. Auf der anderen Seite vollzieht sich eine voranschreitende Desintegrationskatastrophe, die sich auf einen zeitlich nicht festgelegten, jedoch nicht endlos aufschiebbaren Crash-Punkt zubewegt. Von den beiden Ungeheuerlichkeiten ist die zweite bei weitem die wahrscheinlichere, weil sie auf die Linie der laufenden Prozesse liegt.

Sl***

(Du mußt dein Leben ändern, S. 706, 707).

Rückkehr des Erhabenen

Die Rückkehr des Erhabenen in Form eines ethischen Imperativs, mit dem nicht zu spaßen ist, trifft die westliche Welt — um hier nur von ihr zu sprechen — unvorbereitet. Ihre Bürger haben es sich zur Gewohnheit gemacht, alle im Realitätston vorgebrachten Hinweise auf die sich nähernde Katastrophe als ein dokumentarisches Horror-Genre zu rezipieren, und ihre Intellektuellen werden ihrem Ruf als detached cosmopolitan spectators gerecht, indem sie auch die ernstesten Warnungen als diskursives Genre dekonstruieren und ihre Autoren in die Kategorie der Wichtigtuern einordnen.

Sl***

(Du mußt dein Leben ändern, S. 705).