Machtwesen und Dürftigkeit

Zum Machtbesitz und seiner Schaustellung gehört Gepränge und Gelärm, zum Machtwesen und seiner eigenen Sicherung gehört die größte Dürftigkeit. Diese Dürftigkeit bedarf einer weitgehenden Oberflächlichkeit des Denkens. Am besten dient ihr die Gedankenlosigkeit.

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(Die Geschichte des Seyns, S. 82).

Machtermächtigungsgerecht

Macht muß als Sein eine Offenheit und d.h. hier die Öffentlichkeit ermächtigen und so das ihr gemäße Wesen der «Wahrheit» zur Macht bringen. Wahr ist zufolge dem neuzeitlichen Gefüge des Machtwesens soviel wie richtig und richtig heißt sichernd gesichert-sicherstellend die Ermächtigung der Macht. Was dieser Ermächtigung je, von ihr selbst befohlen und gesteuert, «gerecht» wird, ist wahr und ist je nur insoweit und solange wahr. Wahr besagt soviel wie machtermächtigungsgerecht.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 79).

Knechte der Macht

In der Macht kommt der «Geist» zu seiner äußersten und unbedingten Entfaltung in das ungehemmte Unwesen. «Geist» besagt hier neuzeitlich: das sich selbst wissende Wissen, das die Wirklichkeit alles Wirkenden ist.

Daher kann der gewöhnliche Verstand im Äußerlichen des bloß «Negativen» haften bleiben und im Wesen der Macht das Sein selbst verkennen.

So kommt es, daß man «die Macht» bei irgendwelchen «Trägern» unterbringt und sie verantwortlich macht dafür, was sie «mit» der Macht «Machen», statt zu bedenken, daß die Träger die Knechte sind, die allein von der Macht gemacht werden.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 78).

Planetarische Hauptverbrecher

Wo die Macht als Wesen des Seins geschichlich wird, ist alle Moralität und Rechtlichkeit verbannt und zwar unbedingt. Die Macht ist weder moralisch noch unmoralisch, sie machtet außerhalb von Sittlichkeit, Recht und Sitte.

Daher gehören in ds vom unbedingten Machtwesen bestimmte Zeitalter die großen Verbrecher.

Die planetarischen Hauptverbrecher sind sich ihrem Wesen nach zufolge ihrer unbedingten Knechtschaft gegenüber der unbedingten Ermächtigung der Macht völlig gleich.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 77).

Macht und Gewalt

Die Gewalttätigkeit (Brutalität) zeichnet sich durch eine eigentümliche Einfachheit aus. Ihr Vorgehen geht auf die unbedingte Vernichtung mit unbedingt wirkenden Mitteln bei jeder Gelegenheit und in jeder Hinsicht.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 76).

Tributpflicht der Machthaber

Daß die Machtentfaltung und Machtausübung auf dem Grunde der neuzeitlichen Metaphysik das neuzeitliche Menschentum mit «Idealen» versieht und bald die «soziale Gerechtigkeit», bald den «Fortschritt der Kultur», bald die Rettung der abendländischen «Kultur», bald eine neue «Weltordnung», bald ein politisches System als «Hochziele» aufsteckt, das alles ist nicht eine größere odere geringere, geschicktere oder ungeschicktere Verlogenheit, die aus sonstwelchen trüben Quellen menschlichen Handelns stammt, sondern dieses Sichnichtdecken dessen, was man sagt und was man «eigentlich meint», wird vom Wesen der Machtermächtigung jedem Machthaber abgefordert. Diese müssen einen Tribut bezahlen, der jedes andere «Opfer» übersteigt und sie müssen ihn oft bezahlen, indem sie das weitere abzuleisten haben, nicht einmal wissen zu können, in welcher Tributpflicht sie stehen.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 76).

In sich über sich überflüssige Macht

Die Macht bedarf jedoch der Macht (Macht gebrauchender Machtausübung) nicht nur als eines Mittels, sondern «braucht» sich selbst (hat sich selbst nötig) als das Ziel. Denn die Macht selbst ist es, die sich zur Geltung und «an die Macht» bringen muß. Und diese Übermächtigung ihrer selbst ist der ihr eigene Überfluß der eigenen Leere. Sie ist in solcher Weise in sich über sich überflüssig und zugleich je ihrer selbst als eines Mittels bedürftig.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 75).

Wesensvollendung der Macht

Die historisch feststellbaren Zeichen der Wesensvollendung der Macht sind der «Planetarismus» und der «Idiotismus». Das «Planetarische» meint den Bezug des Machtwesens auf das Ganze der Erde, so zwar, daß dieser Bezug nicht Ergebnis einer Ausweitung ist, sonder der Beginn einer eigenartigen Erdherrschaft. Das «Idiotische» (ιδιον) meint den Vorrang des In-sich-selbst-süchtigen, das sich zunächst als Subjektivität ausprägt.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 74).

Machtentfaltung

Die Wesung der Macht vollzieht sich darin, daß die Macht zur unbedingten Selbstverwüstung wird, indem die Übermächtigung sich dahin erzwingt, in der völligen Leere des ungehinderten Machtens jede Möglichkeit eines Anfangs in ihrem Wesensbereich zu untergraben. Diese höchste Entfaltung des Wesens der Macht erscheint aber keineswegs in der Gestalt der sonst bekannten Verwüstung und Ausrottung, sondern im Schein ihres Gegenteils.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 73-74).

Das Macht-Unbedürftige

Gegen die Macht ankämpfen, heißt, noch unter sie und ihr Wesen sich stellen, und das verlangt notwendig wieder die Findigkeit auf Macht-Wege und Mittel (μηχανη) im ursprünglichen Sinne.

Die Macht wird im Wesen nur durch das Macht-Unbedürftige überwunden. Nur das Sein selbst, sich zurücknehmend in das Wesen, läßt das Seiende einstürzen, das in der unerkannten Seinsverlassenheit sich aufgesteigert zur Herrschaft.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 69, 70).

Wesenlosigkeit der Macht

Die innerste Wesenlosigkeit der Macht als des äußersten Unwesens, in das sich das Sein als Seiendheit losgelassen, besteht darin, daß sie nicht dessen mächtig sein kann und sein darf, eine wesenhafte Gegnerschaft zu ihr selbst zuzulassen. Macht ist nicht nur Ohn-macht, sondern Un-wesen des Seins in der Gestalt der einzigen Machenschaft des Seienden.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 68).

Macht und Freiheit

Das metaphysische Wesen der unbedingten Ermächtigung des Machtwesens zeigt sich darin, daß die Machtentfaltung für sich einen Grundsatz in Anspruch nimmt, den die Metaphysik immer wieder ausspricht: Freiheit ist Notwendigkeit. Dieser Gedanke erlaubt allen Zwang und alles durch die Machtgewalt Erzwungene und Niedergehaltene als ein Notwendiges anzusprechen, dieses Notwendige aber als Freiheit auszulegen. So weiß sich der Niedergezwungene als den Freien und in solchem Selbst-bewußtsein wird er auf jeden Aufstand gegen das Notwendige, will sagen gegen den Gewaltenzwang, verzichten. Denn wie sollte auch der Freie sich seiner Freiheit berauben wollen.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 67).

Die Ohnmacht

Die Ohnmacht dürste nach Macht und verkommt aus Mangel an Macht. Sie ist in der Weise der Entbehrung in das Wesen der Macht gefesselt. Ohnmacht kann daher auch wieder zu einer Macht werden, indem sie sich der Umkehrung bedient. Sie kann insgleichen der Schein erwecken, als sei sie die Unbedürftigkeit der Macht und deren Wesensüberwindung.

Ohnmacht: das verfänglichste Scheinwesen der Macht.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 66-67).

Beseitigung der Macht

Aber die Meinung, Macht könnte je in der Geschichte beseitigt werden, entspringt derselben Seinsvergessenheit wir die Bewußtheit der Macht, einziger und wahrer Grund des geschichtlichten Menschentums zu sein sein und immer neu werden zu müssen.

Innerhalb des Zeitalters der Metaphysik ist ein anderes Verhältnis zur Macht nicht möglich und das Ereignis der Wesensüberwindung der Macht zu ihrer Unentbehrlichkeit im Einrichtungshaften nicht einmal zu ahnen.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 66).

Macht und Ohnmacht

Die Macht läßt als ihr Anderes nur die Ohnmacht als das einzige andere zu und ist bei dieser Verfügung, das sie Alles in ihrer «Entscheidung» hat, der Zustimmung aller, sogar der Ohnmächtigen sicher. Die harteste Grenze des Machtwesens liegt darin, daß sie nicht über sich hinausblicken kann, weil sie dies ihrem Wesen nach nicht darf.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 66).

Wesen der Macht

Zum Wesen der Macht gehört, ihr Wesen ist die Verzwingung in die Wahrheitslosigkeit, das Wahrheit im Wesen (als Lichtung des Seyns und Fragwürdigkeit des Seins) zerstört wird.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 65).

Die Macht

Die Macht bedarf keine Träger, weil das Sein niemals vom Seienden getragen, sondern höchstens umgekehrt, das Seiende zu ihm selbst durch das Sein, d.h. die Macht durchmachtet wird. Vor allem ist noch nicht erkannt daß, und noch weniger begriffen, warum die Macht, um als Sein zu wesen, nicht eines Trägers bedarf.

wo immer wir noch die Macht in der Hand von Machtträgern sehen, ist es noch nicht die Macht selbs, ie da getragen wird, sondern je nur ein von der Macht erzwungenes und be-stimmtes «Mittel» der Machtermächtigung.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 63).

Das Kommen

Das Seyn läßt sich nie erzählend sagen und beschreiben. Wenn sein erst zu gründendes Wesen das Kommen ist, dann entspricht ihm das Fragen, das in in den Bezirk der zu stellenden Entscheidung, ihn öffnend, hineinfragt und inständig wird in dem, was als Kommen west.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 59-60).

Die Ankunft vorbereiten

Nicht ob wir die Entscheidung stellen und fällen, das ist unmöglich. Sondern ob der Mensch noch bereit sein kann, ihre Ankunft vorzubereiten — oder ob er sie vorbeigehen lassen muß.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 59).

Die Entscheidung

Die Entscheidung gehört ganz in die Wesung des Seyns selbst. Aber dieses muß je gegründet werden in seiner Wahrheit auf ein Menschentum, das die Wahrheit grundlos läßt oder selbst in das Da-sein wandelnd erstmals anfänglich die Gründung wissend übernimmt.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 58).

Nie-mehr-Rückgängige Verwüstung

Die Verwüstung ist das Nie-mehr-Rückgängige, weil sie nur vorausgeht auf das Auslöschen jeder Möglichkeit, das Seiende als ein solches vor das Sein zu bringen.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 49).

Ordnungsdrang der Verwüstung

In dieser Wüste «wächst» nichts mehr; das Seiende kommt nicht mehr in die Entscheidung des Seins. Verwüstung schafft nicht das leere «Nichts», sondern ist eine Ordnung eigenster Art: die eingerichtete Verzwingung in das Entscheidungslose. Verwüstung ist nicht gesetzlose Wirrnis und blinder Zerfall, sondern hat die Sicherheit des Sicheinrichtens der Macht und zwar der unbedingten. Der Ordnungsdrang der Verwüstung ist der Grimm.

Die Verwüstung ist in sich, nicht in bloßen Auswirkungen, grimmig. Sie ermächtigt ihren Grimm durch die Vorhabe einer unabsehbaren Dauer ihrer selbst.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 48).

Verwüstung als Einrichten der Wüste

Die vollständige Vernichtung ist die Verwüstung im Sinne des Einrichtens der Wüste. Verwüstung meint demnach keineswegs das nur nachkommende «wüst» und leer Machen eines Vorhandenen, sondern das Erfügen der gesicherten Unterhöhlung jeder Möglichkeit jeglicher Entscheidung und aller Entscheidungsbezirke.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 48).

Vollständige Vernichtung

Weil nun aber die Ermächtigung der Macht als des Unbedingten selbst von dieser Art sein muß, ist auch die Übermächtigung eine vollständige Vernichtung. Die Vollständigkeit hat hier nicht summenhaften, sondern wesensmäßigen Charakter; sie erfaßt nicht erst nur alles Seiende, sonder zuvor das Sein selbst.
H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 48).

«positive» Vernichtung

Die Machenschaft ermächtigt die Macht in ihr Wesen. Dieses aber ist die Übermächtigung. In der Übermächtigung liegt ein Niederzwingen und Vernichten. Vernichten meint hier nicht das Beseitigen und nur aus dem Vorhandenen und Gültigen Wegschaffen, meint auch nicht das Zerstören und Zertrümmern im Sinne der auflösenden Zerstückelung des Vorhandenen. Vernichtung ist hier «positiv» die Überführung in das Nichtige.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 48).

Verwüstung ist unempfindlich

Die Verwüstung selbst bleibt unempfindlich gegen Alles, was sie verleugnet und ihr Unwesen durchschaut hat; denn sie kann ja nicht unmittelbar beseitigt, sondern nur durch ihr Wesen selbst in ihr Wesensende gesetzt werden.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 48).

Machenschaft und Verwüstung

Die aus der Machenschaft ausbrechende Verwüstung wird dann am mächtigsten, wenn sie sogar noch übergreift in das, was ihren Übergang in ein Anderes vorbereitet und sie im Verborgenen schon verlassen hat.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 47).

Machenschaft (seynsgeschichtlich begriffen)

Dieses Wort nennt jenes Wesen des Seins, das alles Seiende in die Machbarkeit und Machsamkeit entscheidet. Sein besagt: Sicheinrichten auf die Machsamkeit, so zwar, daß diese selbst das Sicheinrichten in die Mache hält. Metaphysikgeschichtlich erläutert sich die Machenschaft durch die Seiendheit als Vor-gestelltheit, in der es auf Her-stellbarkeit in jeder Abartung abgesehen ist.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 46).