Vertrag und Willkühr

Da die beiden contrahirenden Theile als unmittelbare selbständige Personen sich zu einander verhalten, so geht der Vertrag α) von der Willkühr aus; β) der identische Wille, der durch den Vertrag in das Daseyn tritt, ist nur ein von ihr gesetzter, somit nur gemeinsamer, nicht an und für sich allgemeiner; γ) der Gegenstand des Vertrags ist eine einzige äußerliche Sache, denn nur eine solche, ist ihrer bloßen Willkühr sie zu entäußern (§ 65 ff.) unterworfen.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 78).

Der Vertrag

Diese Beziehung von Willen auf Willen ist der eigenthümliche und wahrhafte Boden, in welchem die Freyheit Daseyn hat. Diese Vermittlung, Eigenthum nicht mehr nur vermittelst einer Sache und meines subjectiven Willens zu haben, sondern eben so vermittelst eines andern Willens, und hiemit in einem gemeinsamen Willen zu haben, macht die Sphäre des Vertrags aus.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 75).

Entäußerung des Lebens

Die umfassende Totalität der äußerlichen Thätigkeit, das Leben, ist gegen die Persönlichkeit, als welche selbst Diese und unmittelbar ist, kein Aeußerliches. Die Entäußerung oder Aufopferung desselben ist vielmehr das Gegentheil, als das Daseyn dieser Persönlichkeit. / Ich habe daher zu jener Entäußerung überhaupt kein Recht, und nur eine sittliche Idee, als in welcher diese unmittelbar einzelne Persönlichkeit an sich untergegangen, und die deren wirkliche Macht ist, hat ein Recht darauf, so daß zugleich wie das Leben als solches unmittelbar, auch der Tod die unmittelbare Negativität desselben ist, daher er von Außen, als eine Natursache, oder im Dienste der Idee, von fremder Hand empfangen werden muß.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 74-75).

Entäußerung meines Eigenthums

Meines Eigenthums kann ich mich entäußern, da das Meinige nur ist, in so fern ich meinen Willen / darein lege, so daß ich meine Sache überhaupt von mir herrenlos lasse, (derelinquire) oder sie dem Willen eines andern zum Besitzen überlasse, — aber nur insofern die Sache ihrer Natur nach ein Aeußerliches ist.

§ 66

Unveräußerlich sind daher diejenigen Güter, oder vielmehr substantiellen Bestimmungen, so wie das Recht an sie unverfährbar, welche meine eigenste Person und das allgemeine Wesen meines Selbstbewußtseyns ausmachen, wie meine Persönlichkeit überhaupt, meine allgemeine Willensfreiheit, Sittlichkeit, Religion.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 67-68).

Der Gebrauch der Sache

Daß der Gebrauch der Sache die reelle Seite und Wirklichkeit des Eigenthums ist, schwebt der Vorstellung vor, wenn sie Eigenthum, von dem kein Gebrauch gemacht wird, für todtes und herrenloses ansieht, und bey unrechtmäßiger Bemächtigung desselben es als Grund, daß es von seinem Eigenthümer nicht gebraucht worden sey, anführt. — Aber der Wille des Eigenthümers, nach welchem eine Sache die Seinige ist, ist die erste substantielle Grundlage, von der die weitere Bestimmung, der Gebrauch, nur die Erscheinung und besondere Weise ist, die jener allgemeinen Grundlage nachsteht.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 62).

Das Eigenthum seiner selbst

Der Mensch ist nach der unmittelbaren Existenz an ihm selbst ein natürliches, seinem Begriffe Aeußeres; erst durch die Ausbildung seines eigenen Körpers und seines Geistes, wesentlich dadurch, daß sein Selbstbewußtseyn sich als freyes erfaßt, nimmt er sich in Besitz und wird das Eigenthum seiner selbst und gegen andere.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 59).

Eigenthum

Das Eigenthum hat seine nähern Bestimmungen im Verhältnisse des Willens zur Sache; diese ist α) unmittelbar Besitznahme, in so fern der Wille in der Sache, als einem Positiven sein Daseyn hat β) in so fern sie ein Negatives gegen ihn ist, hat er sein Daseyn in ihr als einem zu Negirenden, — Gebrauch γ) die Reflexion des Willens in sich aus der Sache — Veräußerung; — positives, negatives und unendliches Urtheil des Willens über die Sache.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 57).

Besitzergreifung

Zum Eigenthum als dem Daseyn der Persönlichkeit ist meine innerliche Vorstellung und Wille, daß Etwas mein seyn solle, nicht hinreichend, sondern es wird dazu die Besitzergreifung erfodert.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 55).

Leben und Körper

Als Person bin Ich selbst unmittelbar Einzelner; — dieß heißt in seinen weitern Bestimmung zunächst: Ich bin lebendig in diesem organischen Körper, welche mein dem Inhalte nach allgemeines ungetheiltes äußeres Daseyn, die reale Möglichkeit alles weiter bestimmten Daseyns, ist. Aber als Person habe ich zugleich mein Leben und Körper, wie andere Sachen, nur in so fern es mein Wille ist.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 52).

Es gibt nur Rechtsverbote

In Beziehung auf die concrete Handlung und moralische und sittliche Verhältnisse, ist gegen deren weitern Inhalt das abstracte Recht nur eine Möglichkeit, die rechtliche Bestimmung daher nur ein Erlaubnis oder Befugnis. Die Nothwendigkeit dieses Rechts beschränkt sich aus demselben Grunde seiner Abstraction auf das Negative, die Persönlichkeit und das daraus Folgende nicht zu verletzen. Es gibt daher nur Rechtsverbote und die positive Form von Rechtsgeboten hat ihrem letzten Inhalte nach das Verbot zu Grunde liegen.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 43).

Abstractes Rechtsgebot

Die Persönlichkeit enthält überhaupt die Rechtsfähigkeit und macht den Begriff und die selbst abstracte Grundlage des abstracten und daher formellen Rechtes aus. Das Rechtsgebot ist daher: sey eine Person und respectire die andern als Personen.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 42).

Die Persönlichkeit fängt erst da an...

Die Persönlichkeit fängt erst da an, in so fern das Subject nicht bloß ein Selbstbewußtseyn überhaupt von sich hat als concretem auf irgend eine Weise bestimmtem, sonder vielmehr ein Selbstbewußtseyn von sich als vollkommen abstractem Ich, in welchem die concrete Beschränktheit und Gültigkeit negirt und ungültig ist. In der Persönlichkeit ist daher das Wissen seiner als Gegenstands, aber als durch das Denken in die einfache Unendlichkeit erhobenen und dadurch mit sich rein-identischen Gegenstandes.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 42).

Recht des Weltgeistes .2

Die sittliche Substanz aber ist gleichfalls
(...)
c) der Staat, als die in der freyen Selbständigkeit des besondern Willens eben so allgemeine und objective Freyheit; — welcher wirkliche und organische Geist α) eines Volks sich β) durch das Verhältnis des besondern Volksgeister hindurch, γ) in der Weltgeschichte zum allgemeinen Weltgeiste wirklich wird und offenbart, dessen Recht das höchste ist.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 39).

Die höhere Dialektik des Begriffes

Die höhere Dialektik des Begriffes ist, die Bestimmung nicht blos als Schranke und Gegentheil, sonder aus ihr den positiven Inhalt und Resultat hervorzubringen und aufzufassen, als wodurch sie allein Entwicklung und immanentes Fortschreiten ist. Diese Dialektik ist dann nicht &aum;ußeres Thun eines subjectiven Denkens, sondern die eigene Seele des Inhalts, die organisch ihre Zweige und Früchte hervortreibt. Diese Entwicklung der Idee als eigener Thätigkeit ihrer Vernunft steht das Denken als subjectives, ohne seinerseits eine Zuthat hinzu zu fügen, nur zu.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 37).

Recht des Weltgeistes

Die Moralität, die Sittlichkeit, das Staatsinteresse ist jedes ein eigenthümliches Recht, weil jede dieser Gestalten Bestimmung und Daseyn der Freyheit ist. In Collision können sie nur kommen, insofern sie auf gleicher Linie stehen, Rechte zu seyn; (...). Aber die Collision enthält zugleich dies andere Moment, daß sie beschränkt und damit auch eins dem andern untergeordnet ist; nur das Recht des Weltgeistes ist das uneingeschränkt absolute.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 36).

Objectivität des Willens

Der Wille α) insofern er sich selbst zu seiner Bestimmung hat und so seinem Begriffe gemäß und wahrhaftig ist, ist der schlechthin objective Wille (...).

Die absolute Bestimmung, oder wenn man will, der absolute Trieb des freyen Geistes, daß ihm seine Freyheit Gegenstand sey (...) um für sich als Idee zu seyn, was der Wille an sich ist; — der abstracte Begriff der Idee des Willens ist überhaupt der freye Wille, der den freyen Willen will.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 33, 34-35).

Subjectivität des Willens

Das Subjective heißt in Ansehung des Willens überhaupt die Seite seines Selbstbewußtseyns der Einzelnheit im Unterschiede von seinem an sich seyenden Begriffe, daher heißt seine Subjectivität α) die reine Form, die absolute Einheit des Selbstbewußtseyns mit sich, in der es als Ich=Ich schlechthin innerlich und abstractes Beruhen auf sich ist — die reine Gewißheit seiner selbst, unterschieden von der Wahrheit; β) die Besonderheit des Willens als die Willkühr und der zufällige Inhalt beliebiger Zwecke; γ) überhaupt die einseitige Form, insofern das Gewollte wie es seinem Inhalte nach sey, nur erst ein dem Selbstbewußtseyn angehöriger Inhalt und unausgeführter Zweck ist.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 32).

Freyheit ist Wahrheit

Nur in dieser Freyheit ist der Wille schlechthin bey sich, weil er sich auf nichts, als auf sich selbst bezieht, so wie damit alles Verhältnis der Abhängigkeit von etwas Anderem hinwegfällt. — Er ist wahr oder vielmehr die Wahrheit selbst, weil sein Bestimmen darin besteht, in seinem Daseyn, d.i. als sich gegenüberstehendes zu seyn, was sein Begriff ist, oder der reine Begriff die Anschauung seiner selbst zu seinem Zwecke und Realität hat.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 30-31).

Wille als denkende Intelligenz

Das Selbstbewußtseyn, das seinen Inhalt, Gegenstand und Zweck bis zu dieser Allgemeinheit reinigt und erhebt, thut dieß als das im Willen sich durchsetzende Denken. Hier ist der Punct, auf welchem es erhellt, das der Wille nur als denkende Intelligenz wahrhafter, freyer Wille ist. (...). Das Selbstbewußtseyn, das durch das Denken sich als Wesen erfaßt, und damit eben sich von dem Zufälligen und Unwahren abthut, macht das Prinzip des Rechts, der Moralität und aller Sittlichkeit aus. Die, welche philosophisch vom Recht, Moralität, Sittlichkeit sprechen, und dabey das Denken ausschließen wollen, und an das Gefühl, Herz und Brust, an die Begeisterung verweisen, sprechen damit die tiefste Verachtung aus, in welcher der Gedanke und die Wissenschaft gefallen ist, (...).

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 29-30).