Der Mensch heißt von Natur...

In Ansehung der Beurtheilung der Triebe hat die Dialektik die Erscheinung, das als immanent, somit positiv, die Bestimmungen des unmittelbaren Willens gut sind; der Mensch heißt so von Natur gut. Insofern sie aber Naturbestimmungen, als der Freyheit und dem Begriffe des Geistes entgegen und das Negative sind, sind sie auszurotten; der Mensch heißt so von Natur böse. Das Entscheidende für die eine oder andere Behauptung ist auf diesem Standpuncte gleichfalls die subjective Willkühr.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 27).

Dialektik der Triebe und Neigungen

Der Widerspruch, welcher die Willkühr ist, hat als Dialektik der Triebe und Neigungen die Erscheinung, daß sie sich gegenseitig stören, die Befriedigung des einen die Unterordnung oder Aufopferung der Befriedigung des anderen fodert u.s.f. und indem der Trieb nur einfache Richtung seiner Bestimmtheit ist, das Maß somit nicht in sich selbst hat, so ist das unterordnende oder aufopfernde Bestimmen das zufällige Entscheiden der Willkühr, sie verfahre nun dabey mit berechnendem Verstande, bei welchem Triebe mehr Befriedigung zu gewinnen sey, oder nach welcher anderen beliebigen Rücksicht.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 26-7).

Willkühr und Wahrheit der Freyheit

Wenn man sagen hört, die Freyheit überhaupt sei dieß, daß man thun könne, was man wolle, so kann solche Vorstellung nur für gänzliche Mangel an Bildung des Gedankens genommen werden, in welcher sich von dem, was der an und für sich freye Wille, Recht, Sittlichkeit u.s.f. ist, nach keine Ahndung findet. Die Reflexion, die formelle Allgemeinheit und Einheit des Selbstbewußtseyns, ist die abstracte Gewißheit des Willens von seiner Freyheit, aber sie ist noch nicht die Wahrheit derselben, weil sie sich noch nicht selbst zum Inhalt und Zwecke hat, (...)>

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 25).

Unbestimmtheit des Willens

Statt etwas b e s c h l i e ß e n, d.h. die Unbestimmtheit, in welcher der eine sowohl als der andere Inhalt zunächst nur ein möglicher ist, aufheben, hat unsere Sprache auch den Ausdruck: sich
e n t s c h l i e ß e n, indem die Unbestimmtheit des Willens selbst, als das neutrale aber unendlich befruchtete, der Urkeim alles Daseyns, in sich die Bestimmungen und Zwecke enthält und sie nur aus sich hervorbringt.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 23).

Der Boden des Rechts

Der Boden des Rechts ist überhaupt das G e i s t i g e, und seine nähere Stelle und Ausgangspunkt der Wille, welcher f r e y ist, so daß die Freyheit seine Substanz und seine Bestimmung ausmacht und das Rechtssystem das Reich der verwirklichten Freyheit, die Welt des Geistes aus ihm selbst hervorgebracht, als eine zweyte Natur, ist.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 14).

Autoritäten

Wenn dem positiven Rechte und den Gesetzen das Gefühl des Herzens, Neigung und Willkühr entgegengesetzt wird, so kann es wenigstens nicht die Philosophie seyn, welche solche Autoritäten anerkennt. — Daß Gewalt und Tyranney ein Element des positiven Rechts seyn kann, ist demselben zufällig und geht seine Natur nicht an.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 6-7).

Die philosophische Idee

Diß ist es auch, was den concretern Sinn dessen ausmacht, was oben abstracter als Einheit der Form und des Inhalts bezeichnet worden ist, denn die Form in ihrer concretesten Bedeutung ist die Vernunft als begreifendes Erkennen, und der Inhalt die Vernunft als das substantielle Wesen der sittlichen, wie der natürlichen Wirklichkeit; die bewußte Identität von beydem ist die philosophische Idee.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. XXII-XXIII).

Die Rose im Kreuze der Gegenwart

Was zwischen der Vernunft als selbstbewußtem Geiste und der Vernunft als vorhandener Wirklichkeit liegt, was jene Vernunft von dieser scheidet und in ihr nicht die Befriedigung finden läßt, ist die Fessel irgend eines Abstractums, das nicht zum Begriffe befreyt ist. Die Vernunft als die Rose im Kreuze der Gegenwart zu erkennen und damit dieser sich zu erfreuen, diese vernünftige Einsicht ist die Versöhnung mit der Wirklichkeit, welche die Philosophie denen gewährt, an die einmal die innere Anfoderung ergangen ist, zu begreifen, und in dem, was substantiell ist, ebenso die subjective Freyheit zu erhalten, so wie mit der subjectiven Freyheit nicht in einem Besondern und Zufälligen, sondern in dem, was an und für sich ist, zu stehen.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. XXII).

Vernunft und wirklichkeit

Was vernünftig ist, das ist wirklich;
und was wirklich ist, das ist vernünftig.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. XIX).

Recht durch Gedanken

Daß Recht und Sittlichkeit, und die wirkliche Welt des Rechts und des Sittlichen sich durch den Gedanken erfaßt, durch Gedanken sich die Form der Vernünftigkeit, nemlich Allgemeinheit und Bestimmtheit gibt, diß, das Gesetz, ist es, was jenes sich das Belieben vorbehaltende Gefühl, jenes das Rechte in die subjective Ueberzeugung stellende Gewissen, mit Grund als das sich feindseligste ansieht. Die Form des Rechten als einer Pflicht und als eines Gesetzes wird von ihm als ein todter, kalter Buchstabe und als eine Fessel emfpunden; denn es erkennt in ihm nicht sich selbst, sich in ihm somit nicht frey, weil das Gesetz die Vernunft der Sache ist, und diese dem Gefühle nicht verstattet, sich an der eigenen Particularität zu erwärmen.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. XIII-XIV).

Aus Herz, Gemüth und Begeisterung

Ohnehin hat die sich so nennende Philosophie es ausdrücklich ausgesprochen, daß das Wahre selbst nicht erkannt werden könne, sonder daß diß das Wahre sey, was jeder über die sittlichen Gegenstände, vornemlich über Staat, Regierung und Verfassung, sich aus seinem Herzen, Gemüth und Begeisterung aufsteigen lasse.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. X-XI).

Verachtung und Mißkredit

Die schlimmste der Verachtungen ist diese, daß wie, gesagt jeder, wie er so steht und geht, über die Philosophie überhaupt Bescheid zu wissen und abzusprechen im Stande zu seyn überzeugt ist. Keiner andern Kunst und Wissenschaft wird diese letzte Verachtung bezeigt, zu meynen, daß man sie gerade inne habe.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. X).

Schwierigkeit

Die weitere Schwierigkeit aber kommt von der Seite, daß der Mensch d e n k t und im Denken seine Freyheit und den Grund der Sittlichkeit sucht. Dieses Recht, so hoch, so göttlich es ist, wird aber in Unrecht verkehrt, wenn nur diß für Denken gilt und das Denken nur dann sich frey weiß, insofern es vom Allgemein-Anerkannte und Gültigen abweiche und sich etwas Besonderes zu erfinden gewußt habe.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. VIII).

Verlegenheit

Gegen dieses einfache Verhalten thut sich etwa schon die vermeynte Schwierigkeit auf, wie aus den unendlich verschiedenen Meynungen sich das, was darin das allgemein Anerkannte und Gültige sey, unterscheiden und herausfinden lasse; und man kann diese Verlegenheit leicht für einen rechten und wahrhaften Ernst um die Sache nehmen. In der That sind aber die, welche sich auf diese Verlegenheit etwas zu Gute thun, in dem Falle, den Wald vor den Bäumen nicht zu sehen, und es ist nur die Verlegenheit und Schwierigkeit vorhanden, welche sie selbst veranstalten; je diese ihre Verlegenheit und Schwierigkeit ist vielmehr der Beweis, daß sie etwas anderes als das allgemein Anerkannte und Geltende, als die Substanz des Rechten und Sittlichen wollen.

He***

(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. VII-VIII).

Im Gedanken

Im Philosophieren verläßt man allerdings den Boden des Anschauens — ihre Welt ist im G e d a n k e n; es muß einem Sehen und Hören vergangen sein —

He***

(Berliner Antrittsrede, S.29).

Das Leichteste

— denn das Leichteste ist α) S e h e n, Hören, Schmecken — β) sich V o r s t e l l u n g e n vom Sehen, Hören machen —

He***

(Berliner Antrittsrede, S.29).

Schwere Wissenschaft

Weil nun die Philosophie sich mit dem Wesentlichen beschäftigt, gilt sie für eine s c h w e r e Wissenschaft, und die Schwierigkeit wird darein gesetzt, sie zu v e r s t e h e n.

He***

(Berliner Antrittsrede, S.28).

Wertlosigkeit

Das Gefühl der Wertlosigkeit wurde erzielt, als man begriff, daß weder mit dem Begriff »Zweck«, noch mit dem Begriff »Einheit«, noch mit dem Begriff »Wahrheit« der Gesamtcharacter des Daseins interpretiert werden darf. Es wird nichts damit erzielt und erreicht; es fehlt die übergreifende Einheit in der Vielheit des Geschehens: der Charakter des Daseins ist nicht »wahr«, ist falsch..., man hat schlechterdings keinen Grund mehr, eine wahre Welt sich einzureden... Kurz: die Kategorien »Zweck«, »Einheit«, »Sein«, mit denen wir der Welt einen Wert eingelegt haben, werden wieder von uns herausgezogen — und nun sieht die Welt wertlos aus...

Ni***

(Der Wille zur Macht, n.12)

Leib und Geist

Wesentlich: vom Leib ausgehen und ihn als Leitfaden zu benutzen. Er ist das viel reichere Phänomen, welches deutlichere Beobachtung zuläßt. Der Glaube an den Leib ist besser festgestellt, als der Glaube an den Geist.

Ni***

(Der Wille zur Macht, n.532)