Das Nichts

Alles menschliche Verhalten zu Seiendem als solchem ist in sich nur möglich, wenn es das Nicht-Seiende als solches zu verstehen vermag. Nicht-seiendes und die Nichtigkeit sind nur verstehbar, wenn das verstehende Dasein im vorhinein und von Grund aus zum Nichts sich hält, in das Nichts hinausgehalten ist.

Das Nichts ist nicht die nichtige Leere, die nichts vorhanden sein läßt, sonder die ständig abstoßende Macht, die einzig in das Sein hineinstößt und uns des Daseins mächtig sein läßt.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 433).

Ein Sein zum Tode

Das Dasein des Menschen ist so oder so ein Sein zum Tode. Der Mensch verhält sich immer in irgendeiner Weise zum Tode, d.h. zu seinem Tode. Darin liegt: Der Mensch kann in den Tod als die äußerste Möglichkeit seines Daseins vorlaufen und sich von daher in der eigensten und ganzen Selbstheit seines Daseins verstehen. Das Dasein verstehen meint: sich auf das Da-sein verstehen. Dasein können.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 425-6).

Das Wesen der Welt und das Fragen

Die philosophische Erkenntnis des Wesens der Welt ist nicht und nie eine Kenntnisnahme von etwas Vorhandenem, sonder das begreifende Aufschließen von etwas in einem bestimmt gerichteten Fragen, das als Fragen das Befragte nie zu einem Vorhandenen werden läßt. Dieses bestimmt ausgerichtete Fragen ist selbst notwendig, um Welt und dergleichen in der angemessenen Weise ins Thema zu bringen und darin zu halten.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 423).

»als solchem«

Die Offenbarkeit von Seiendem ist immer Offenbarkeit von Seiendem als solchem. Das »als« ist zugehörig zur Offenbarkeit und hat mit dieser zusammen die gemeinsame Heimat in dem Gebilde, das wir einfache Aussage nennen.

Die Aussage, das Urteil, wird in der alten Philosophie der λογος gennant. Der λογος aber — das ist das Hauptthema der Logik.

Das Weltproblem als Grundproblem der Metaphysik wird zurückgeführt auf die Logik. Die Logik ist demnach die eigentliche Basis der Metaphysik.


H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 418).

Der Mensch ist weltbildend

Das Dasein im Menschen bildet die Welt: 1. es stellt sie her; 2. es gibt ein Bild, einen Anblick von ihr, es stellt sie dar; 3. es macht sie aus, ist das Einfassende, Umfangende.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 414).

Welt ist...

Welt ist nicht das All des Seienden, ist nicht die Zugänglichkeit von Seiendem als solchen, nicht die der Zugänglichkeit zugrundeliegende Offenbarkeit des Seienden als solchen — sondern Welt ist die Offenbarkeit des Seienden als solchen im Ganzen.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 412).

Das Dasein in uns offenbart sich

In der Stimmung ist einem so und so. Was das heißt, zeigt uns die tiefe Langeweile. Das Dasein in uns offenbart sich. Das sagt wieder nicht: Wir erhalten Kunde von etwas, von einem Vorkommnis, was uns sonst unbewußt geblieben wäre, sondern: Das Dasein stellt uns selbst vor das Seiende im Ganzen. In der Stimmung ist einem so und so — darin liegt also: Die Stimmung macht gerade das Seiende im Ganzen und uns uns selbst als inmitten desselben befindlich offenbar. Das Gestimmtsein in die Stimmung ist keineswegs ein Kenntnisnehmen von seelischen Zuständen, sondern ist das Hinausgetragenwerden in die je spezifische Offenbarkeit des Seienden im Ganzen, und das sagt: in die Offenbarkeit des Daseins als solchen, so, wie es sich inmitten dieses Ganzen je befindet.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 410).

Überantwortung an das Dasein

Diese Frage — was der Mensch sei — läßt den einzelnen Menschen und erst recht den Fragenden nicht in die beruhigte Gleichgültigkeit eines einzelnen beliebigen Falles des allgemeinen Wesens Mensch zurücksinken, sondern umgekehrt: Dieses allgemeine Wesen des Menschen wird als solches nur wesentlich wenn der Einzelne sich in seinem Dasein begreift. Die Frage was der Mensch sei, wirklich gestellt, überantwortet den Menschen ausdrücklich seinem Dasein. Diese Überantwortung an das Dasein ist der Index der inneren Endlichkeit.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 408).

Der Mensch in dem Umringzusammenhang

Das menschliche Dasein ist in sich ein eigentümliches Versetztsein in den Umringzusammenhang des Lebendigen.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 403).

Das Ringen der Umringe

Diese Verzahnung der Umringe der Tiere ineinander, erwachsend aus dem Ringen der Tiere selbst, zeigt eine Grundart von Sein, die von allem bloßen Vorhandensein verscheiden ist. Wenn wir bedenken, daß im jedem solchen Ringen das Lebewesen sich etwas von der Natur selbst wiederum in seinem Umring einpaßt, dann müssen wir sagen: Es offenbart sich uns in diesem Ringen der Umringe ein innerer Herrschaftscharakter des Lebendigen innerhalb des Seienden überhaupt, eine innere, im Leben selbst gelebte Erhabenheit der Natur über sich selbst.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 402-3).

Die Benommenheit ist die Bedingung der Weltarmut

Die Benommenheit ist die Bedingung der Möglichkeit der Weltarmut. Denn wenn das Wesen des Organismus in der Benommenheit liegt und zur Benommenheit als ein Wesensmoment die Genommenheit der Möglichkeit der Offenbarkeit von Seiendem als
solchem gehört, Offenbarkeit von Seiendem aber ein Charakter der Welt ist, so müssen wir jetzt sagen: Zur Benommenheit gehört als ein Wesensmoment die Genommenheit von Welt. Was aber nur ein konstitutives Moment des Wesensganzheit des Organismus — der Benommenheit — ausmacht, kann nicht Grund der Möglichkeit für das Wesensganze als solches sein. Weltarmut ist nicht die Bedingung der Möglichkeit der Benommenheit, sondern umgekehrt, die Benommenheit ist die Bedingung der Möglichkeit der Weltarmut. Selbst dieses Satz müssen wir noch abschwächen und angemessener sagen: Die Benommenheit als des Wesen der Tierheit ist die Bedingung der Möglichkeit für die lediglich vergleichende Kennzeichnung der Tierheit durch die Weltarmut, sofern das Tier vom Menschen aus gesehen ist, dem die Weltbildung zugehört.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 393-4).

Die Habe des Offenseins ist ein Nichthaben

Denn das triebhafte Fähigsein des hingenommenen Benommenseins, d.h. des Hingenommenwerdens vom Enthemmenden, ist ein Offensein für..., wenngleich mit dem Charakter des Sich-nicht-Einlassens-auf... Der Stein dagegen hat auch diese Möglichkeit nicht. Denn für das Sich-nicht-Einlassen-auf... ist ein Offensein vorausgesetzt. In all dem liegt: Bei der Weltlosigkeit des Steins fehlt sogar auch die Bedingung der Möglichkeit der Weltarmut. Diese innere Möglichkeit der Weltarmut — ein konstitutives Moment dieser Möglicheit — ist das triebhafte Offensein der benehmenden Hingenommenheit. Dieses Offensein besitzt das Tier in seinem Wesen. Das Offensein in der Benommenheit ist wesenhafte Habe des Tieres. Aufgrund dieser Habe kann es entbehren, arm sein, in seinem Sein durch Armut bestimmt sein. Dieses Haben ist freilich kein Haben von Welt, sondern das Hingenommensein an den Enthemmungsring — ein Haben des Enthemmenden. Aber weil dieses Haben des Offenseins für das Enthemmende ist, diesem Offensein-für jedoch gerade die Möglichkeit des Offenbarhabens des Enthemmenden als Seiendem genommen ist, deshalb ist diese Habe des Offenseins ein Nichthaben.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 391).

Grundbefähigung des Tieres

Negativ müssen wir sagen: Der Organismus ist weder ein Komplex von Werkzeugen noch ein Bündel von Trieben. Positiv können wir sagen: Der Organismus ist das Fähigsein zum Benehmen in der Einheit der Benommenheit.

Das Sichumringen ist die Grundbefähigung des Tieres, in die alle anderen Fähigkeiten gleichsam eingelassen sind und aus der heraus sie entwachsen. Die Organisation des Organismus besteht nicht in der morphologischen, physiologischen Gestaltung, Formbildung und Regelung der Kräfte, sondern gerade zuerst in der Grundbefähigung des Sich-umringens und damit eines ganz bestimmten Offenseins für einen Umkreis möglicher Enthemmung.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 374-5).

Reizbarkeit

Aber bis heute ist weder in der Physiologie noch in der Psychologie das Wesen des Reizes und der Reizbarkeit hinreichend bestimmt, d.h. auf die Strukturbedingungen zurückgebracht. Bis heute ist die Aufgabe nicht erkannt, zu fragen: Welches sind die Bedingungen der Möglichkeit einer Reizbarkeit überhaupt?

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 372).

Der Enthemmungsring

Worauf das Benehmen als triebhaftes Befähigtsein trifft, ist immer irgendwie enthemmend. Was dergestalt enthemmt und nur enthemmend zum Benehmen in Beziehung ist, entzieht sich gleichsam ständig und notwendig aufgrund seiner eigenen Weise, »sich zu zeigen« — wenn wir überhaupt so sagen dürfen. So, wie das Enthemmende sich wesenhaft entzieht, aus dem Wege geht, so ist die Beziehung zum An-lassenden ein Sich-nicht-darauf-Einlassen. Es kommt nie zu einem Bleiben als solchem, aber auch nicht zu einer Veränderung als solcher. Das Umringtsein des Tieres von der Zugetriebenheit seiner Triebe ist in sich ein Offensein für das Enthemmende. Das Sich-Einringen ist als keine Einkapselung, sondern gerade ein öffnendes Ziehen eines Umrings, innerhalb dessen dieses oder jenes Enthemmende enthemmen kann. Das Benehmen des Tieres bezieht sich nicht und nie — wie es uns scheinen möchte — auf vorhandene Dinge und deren Ansammlung, sondern es umringt sich selbst mit einem Enthemmungsring, in dem vorgezeichnet ist, was als Anlaß sein Benehmen treffen kann.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 370).

Animalia 2

Das Tier läßt sich nicht ein

Die Benommenheit ist das Wesen der Tierheit, sagt: Das Tier steht als solches nicht in einer Offenbarkeit von Seiendem. Weder seine sogenannte Umgebung noch es selbst sind als Seiendes offenbar. Weil das Tier aufgrund seiner Benommenheit und aufgrund des Ganzen seiner Befähigungen innerhalb einer Triebmannigfaltigkeit umgetrieben ist, hat es grundsätzlich nicht die Möglichkeit auf das Seiende, das es nicht ist, sowie auf das Seiende, das es selbst ist, sich einzulassen.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 361).

Etwas vernehmen als etwas

Die Biene ist in all dem Treiben bezogen auf Futterstelle, Sonne, Stock, aber dieses Bezogensein darauf ist kein Vernehmen des Genannten als Futterstelle, als Sonne und dergleichen, sondern — möchte man sagen — als etwas anderes. Nein, überhaupt nicht als etwas und als Vorhandenes. Es ist kein Vernehmen, sondern ein Benehmen, ein Treiben, das wir so fassen müssen, weil dem Tier die Möglichkeit des Vernehmens von etwas als etwas genommen ist, und zwar nicht jetzt und hier, sondern genommen im Sinne des »überhaupt nicht gegeben«. Diese Möglichkeit ist dem Tier benommen, und deshalb ist es doch nicht einfach unbezogen auf anderes, sondern gerade davon hingenommen, benommen.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 360).

Das Tier ist benommen

Das Benehmen und seine Weisen sind keine Strahlen, die auslaufen nach... und das Tier in Bahnen vorlaufen lassen, sondern das Benehmen ist gerade ein Ein-behalten und Ein-nehmen, und zwar ohne Reflexion. Das Benehmen als Seinsart überhaupt ist nur möglich aufgrund der Eingenommenheit des Tieres in sich. Wir kennzeichnen das spezifische tierische Bei-sich-sein, das nichts von einer Selbstheit des sich verhaltenden Menschen als Person hat, diese Eingenommenheit des Tieres in sich, darin alles und jedes Benehmen möglich ist, als Benommenheit. Nur sofern das Tier seinem Wesen nach benommen ist, kann es sich benehmen.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 347).

Benehmen und Verhalten

Die Art wie der Mensch ist, nennen wir das Verhalten; die Art wie das Tier ist, nennen wir das Benehmen. Beides ist grundverschieden.

Das Benehmen des Tieres ist nicht ein Tun und Handeln, wie das Verhalten des Menschen, sondern ein Treiben, womit wir andeuten, das gleichsam alles Treiben des Tieres die Getriebenheit durch das Triebhafte charakterisiert.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 346).

Die Fähigkeit ist regelmitbringend und triebhaft

Das fertige Zeug untersteht hinsichtlich seines möglichen Gebrauches einer ausgesprochenen oder unausgesprochenen Vorschrift. Die Vorschrift wird nicht von der Fertigkeit des Zeugs gegeben, sondern sie ist immer dem Plan entnommen, der schon die Erzeugung des Zeugs und seinen spezifischen Zeugcharakter bestimmt hat. Das Fähige dagegen untersteht nicht einer Vorschrift, sondern es ist selbst regelmitbringend und regelnd. Es treibt sich selbst in bestimmter Weise in sein Fähigkeit zu... vor. Dieses Sichvortreiben und Vorgetriebensein in sein Wozu ist im Fähigen nur möglich, wenn das Fähigsein überhaupt triebhaft ist. Fähigkeit ist immer nur da, wo Trieb ist.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 333).

Die Fähigkeit ist diensthaft

Was dagegen, wie z.B. das Auge, zu einer Fähigkeit gehört, der Fähigkeit des Sehens dient, das kann das nur, weil die Fähigkeit in sich selbst diensthaft ist und als solche in Dienst nehmen kann. Was und wie aber die Fähigkeit in Dienst nimmt, dessen Entstehen leitet und begrenzt sie selbst. Das Fertige ist dienlich, das Fähige ist diensthaft. Die Fähigkeit ist ein sich auf sich selbst, in das eigene Wozu Verlegen und Vorverlegen.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 331).