Aristoteles und die Megariker sind sich einig

Aristoteles und die Megariker sind sich ganz darüber einig, was Wirklichkeit überhaupt, Vorhandensein von etwas, bedeutet; es bedeutet »Anwesenheit von etwas«.

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(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.179)

Vorheriges Lernen und Aneignen

Das εχειν einer τεχνη ist gebunden an ein vorheriges Lernen und Aneignen; das Nicht-mehr-besitzen, μη εχειν, an ein Weggeben. Ist dem so, dann ist aber auch das Folgende einleuchtend: Das bloße Aufhören im Vollzug einer τεχνη braucht keineswegs schon ein Nicht-mehr-haben zu bedeuten — und umgekehrt: Das Sofort-anfangen mit dem Vollzug kann nicht bedeuten ein Allererst-aneignen, sondern setzt umgekehrt schon Aneignung voraus.

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.176)

Aristoteles vs. die Megariker

Aristoteles hält auf Grund der Wesensbestimmung der δυναμις die Frage nach dem Vorhandensein derselben scheinbar für entschieden; die Megariker leugnen auf Grund des einzig möglichen Vorhandensein einer δυναμις im Grunde deren Wesen. Dieser Widerstreit ist offenbar durch eine formale Überlegung nicht aufzulösen.

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.174-5)

Die Megariker

Die Megariker leugneten die Möglichkeit der Wirklichkeit der Bewegung, gemäß dem eleatischen Grundsatz über das Seiende, wonach nur das Seiende ist, das Nichseiende aber nicht ist; Nichtseiendes jedoch ist alles Seiende, das in irgend einer Weise vom Nicht angetastet und durchsetzt ist, also sowohl das Noch-nicht-Seiende als auch das Nicht-mehr-Seiende. Was aber in Bewegung ist, schlägt um, tritt aus dem einen heraus in das andere, ist jenes nicht mehr und dieses noch nicht; das Bewegte ist so das »nach zwei Seiten« Nicht-Seiende, ist je noch nicht, was es sein wird, und je nicht mehr, was es war. Seiend ist nur das Anwesende, das Vorhandene.

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(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.165)

Nur wenn eine Kraft am Werke sei...

εισι δε τινες οι φασιν, οιον οι &Muεγαρικοι, οταν ενεργηι μονον δυνασθαι, οταν δε μη ενεργηι ου δυνασθαι. »Es gibt aber gewisse Leute, wie z.B. die Megariker, die sagen, nur wenn eine Kraft am Werke sei, dann sei das Kräftigsein zu etwas vorhanden, wenn sie aber nicht am Werke sei, dann sei auch kein Kräftigsein (...).«

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.162)

Wo Kraft und Macht...

Aber ein Ausschluß bestimmt gleichwohl die Einzigkeit dessen, dessen sie kräftig ist. Und dieser Ausschluß gibt wieder den Hinweis auf die innere Wesenszugehörigkeit des Entzugs und der Nichtigkeit zum Wesen der Kraft. (...). Gemeint ist damit nicht das Anstoßen gegen äußere Grenzen und Schranken und das Nichtweiterkommen, auch nicht das einfache schließliche Erlahmen, sondern die innere, wesentliche Endlichkeit jeder δυναμις liegt in der von ihr selbst geforderten und zu ihrem Vollzug gehörigen Entscheidung nach der einen oder anderen Seite. Wo Kraft und Macht, da Endlichkeit.

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.157, 158)

Das Wie einer Kraft

Warum gehört zu einer Kraft notwendig das »je so oder so«, allgemein: das Wie?. Weil die Kraft als δυναμις μετα λογου von Hause aus zwiegerichtet und zwiespältig ist. Und weil nun die redegeführte Kraft in einem ursprünglichen Sinne nichtig, d.h. mit diesem Nicht und Nein durchsetzt ist, deshalb ist für sie das Wie nicht nur überhaupt wesensnotwendig, sondern demzufolge immer entscheidend. Das Wie gehört für eine solche Kraft, d.h. für das Vermögen, mit in den beherrschenden Bereich dessen, was sie vermag; das Wie ist nicht eine begleitende Eigenschaft, sondern solches, worüber im Vermögen und mit dem Vermögen mitentschieden ist.

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.157)

Die innere Grenze der Kundschaft

Warum gibt es aber im λογος diese Gegensätzlichkeit des Positiven und Negativen? Weil sein Wesen Kundgabe ist, und weil dieses Kund-geben notwendig Geben von etwas als etwas ist; das ist notwendig. Warum? Weil alles Geben auf nehmendes Nichthaben antwortet; dieses Nehmen als nichthabendes ist nur teil-weise In-Besitz-nehmen, weil das zu Besitzende das andere bleibt; teil-weise, das heißt: je in einer, in dieser oder jener Hinsicht, je als das oder das. Mit diesem Als ist je das und das entschieden und ausgeschieden. Warum also gehört das Als zum λογος? Weil die Kundgabe zur Kundschaft gehört und Kundschaft ursprünglich einem Erkunden antwortet. Erkunden aber ist notwendig Weg-einschlagen, je Wahl des einen Weges unter Aufgabe des anderen, und ist zugleich Übernehmen eines Standortes und Aufgabe des anderen. Zur Kundschaft gehört diese innere Grenze.

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.144-5)

ειδος ist λογος

Dieses vorblickende Vor-stellen des εργον in seinem ειδος ist gerade der eigentliche Anfang des Herstellens, nicht etwa erst die Verfertigung im engeren Sinne des Handanlegens. Dieses In-den-Blick-nehmen des Aussehens ist in sich das Bilden eines Anblicks, das Bilden des Vorbildes. Damit aber wird etwas kund: Dieses Bilden des Vorbildes kann nur geschehen als Umgrenzen dessen, was zu ihm gehört; es ist ein Auslesen, ein auslesendes Sammeln des Zusammengehörigen, ein λεγειν. (...). So ist der λογος, das Ausgelesene und vor allem Angesprochene ständig das Ausschließende, d.h. aber das Gegenteilige Miteinschließende.

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(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.142)

Ausgrenzendes Herstellen

Ausgrenzend und ausschließend ist das Herstellen in erster Linie deshalb, weil dasjenige, woran gleichsam das ganze Geschehen des Herstellens festgemacht ist, das vorweggenommene Aussehen des εργον qua ειδος,τελος, περας ist.

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(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.138)

Das ειδος des εργον ist τελος

Was ist also επιστημη ποιητικη, Herstellung? Was hergestellt wird, hergestellt werden soll, ist das εργον. Dieses ergibt sich nicht von ungefähr und beliebig aus irgend einer Hantierung und Beschäftigung; denn es ist je solches, was da-stehen, zur Verfügung stehen soll, was so und so aussehen muß, diesen bestimmten Anblick bietet. Ja dieses, wie das Werk aussehen wird, sein Aussehen, muß bei der Herstellung und für diese im voraus schon erblickt sein. Das Aussehen, ειδος, ist im vorhinein schon gesehen, und zwar nicht nur so überhaupt und im allgemeinen, sondern gerade in dem, worauf es am Ende ankommt, wenn es voll-endet und beendet sein soll. Mit dem ειδος des εργον ist im voraus schon seinen Be-endetheit vorweggenommen, die Enden, die es umschließen. Das ειδος des εργον ist τελος. Das beendigende Ende aber ist seinem Wesen nach Grenze, περας.

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.137-8)

Herstellen ein Tun und Lassen

Das Herstellen ist in sich, in der ihm zugehörigen Weise seines Vorgehens ein Tun und Lassen, ein Tun von etwas und ein Lassen des Gegenteils. Weil Herstellen so in sich Tun und Lassen zumal ist, deshalb ist das, worauf es bezogen ist: εναντια.

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.137)

Das Auszeichnende der δυναμεις μετα λογου

Das Auszeichnende der δυναμεις μετα λογου ist dieses, daß ihr, ihrem eigensten Kraftsein gemäß, überhaupt und notwendig ihr Bereich gegeben ist, während für die δυναμις αλογος der Bereich nicht nur verschlossen bleibt, sondern überhaupt außerhalb jeder Möglichkeit des Aufgeschlossenseins und der Verschlossenheit liegt.

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(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.134)

Kundige Kraft geht auf das Entgegenliegende

και αι μεν μετα λογου πασαι των εναντιων αι αυται αι δ'αλογοι μια ενος. »Und zwar gehen nun die Kräfte, die in sich kundig sind, alle je als dieselben auf das Entgegenliegende, die kundschaftslosen aber als eine auf ein Einziges«.

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.132)

Alle Vermögen sind Kräfte

διο πασαι αι τεχναι και αι ποιητικαι επιστημαι δυναμεις εισιν: αρχαι γαρ μεταβλητικαι εισιν εν αλλωι η ηι αλλο. »Daher sind alle Fertigkeiten und Weisen des Sichverstehens auf Herstellung von etwas Kräfte (in unserem Sinne also Vermögen); denn sie sind solches, von wo aus als in einem anderen dieses ausgerichtet ist auf ein Umsetzenkönnen.«

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(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.130)

Bewegung und Wahrnehmen als Unterschied des Beseelten vom Unbeseelten

το εμψυχον δη του αψυχου δυοιν μαλιστα διαφερειν δοκει, κινησει τε και τωι αισθανεσθαι. »Durch zwei Charaktere scheint sich das Beseelte vom Unbeseelten am meisten und ehesten zu unterscheiden: durch Bewegung und Wahrnehmen.«

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.124)

Leben wird in vielfacher Weise verstanden

πλεοναχως δε του ζην λεγομενου, »Leben wird in vielfacher Weise verstanden«. Was Lebendes zu solchem macht, im Wesen als soseiendes bestimmt, kann Mannigfaltiges sein. Pflanze, Tier, Mensch meinen alle Seiendes, das lebt, und gleichwohl ist die Weise ihres Seins verschieden. So habe z.B. weder Pflanze noch Tier, obzwar bestimmt als ζωη, doch keinen βιος, kein Leben im Sinne einer Lebensgeschichte, d.h. nicht die Möglichkeit eines freigewählten und gestaltbaren Daseins (...).

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(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.123)

Entsprechung von λογος und ψυχη

Also entspricht das αλογον dem αψυχον und das μετα λογου dem εμψυχον. Allgemein entsprechen sich λογος und ψυχη, Seele. Wo λογος, da ψυχη, und wo ψυχη und εμψυχον, da λογος und μετα λογου.

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.123)

Redelos und redekundig

Αλογος: redelos, ohne Kundschaft; damit ist solches gemeint, was ohne Kundschaft ist in dem, was es ist und wie; ohen Kundschaft: ohne die Möglichkeit, eine Kunde zu nehmen, zu vernehmen bzw. zu geben und daher erst recht außerstande, etwas zu erkunden und in einer Sache kundig zu sein. Μετα λογου dagegen ist solches, das in dem, was es ist und wie es ist, mitdabeihat Kundschaft: die Möglichkeit der Kundnahme und Kundgabe und damit die Möglichkeit des Erkundens und Kundigwerdens und so des Kundigseins.

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(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.122-3)

Λογος heißt Kundschaft

Ein solches Sammeln, das nu die Bezüge der Bezogenen und damit diese selbst, also die einzelnen Dingen einsammelt, zugänglich macht und bereithält und so zugleich beherrschen läßt, ist das Gefüge, das wir »Sprache« nennen, das Sprechen; aber dieses nicht so sehr verstanden als Verlautbarung, sondern im Sinne des sprechenden Etwas-sagens, Etwas-meinens: von etwas, über etwas zu jemandem, für jemanden reden. Λογος ist die Rede, das sammelnde Darlegen, einigende Kundmachen von etwas; und zwar in dem weiten Sinne zunächst, der auch das Bitten, die Bittrede, das Gebet, das Fragen, das Wünschen, das Befehlen und dergleichen umfaßt. (...). Λογος ist also die Rede in dem ganz weiten Sinne des mannigfaltigen Kundmachens und Kundgebens, der »Kundschaft«.

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.121-2)

Λεγειν

Λεγειν: lesen, zusammenlesen, sammeln, das eine zum anderen legen und so das eine zum anderen in ein Verhältnis setzen;; und damit dieses Verhältnis selbst setzen. Λογος: die Beziehung, das Verhältnis. Das Verhältnis ist das, was die darin Stehenden zusammenhält. Die Einheit dieses Zusammen beherrscht und regelt die Beziehung der sich Verhaltenden. Λογος ist daher Regel, Gesetz, und zwar nicht als über dem Geregelten irgendwo schwebend, sondern als das, was das Verhältnis selbst ist: die innere Fügung und Fuge des in Beziehung stehenden Seienden. Λογος ist das regelnde Gefüge, die Sammlung des unter sich Bezogenen.

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(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.121)

Einteilung

Eine Einteilung darf nicht von außerhalb herangebracht werden an das Einzuteilende; als etwas, was zum Sein des Eingeteilten gehört, muß dasjenige, woraufhin eingeteilt wird, herausgenommen werden aus dem, was eingeteilt werden soll.

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(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.121)

Einteilung der Kräfte

Es ergibt sich eine Einteilung der Kräfte in δυναμεις αλογοι und δυναμεις μετα λογου: redelose und redegeführte Kräfte. (...). Diese Einteilung erfolgt gemäß der Einteilung der Bereiche des Seienden in seelenloses und beseeltes. Und doch decken sich die beiden Einteilungen nicht ohne weiteres.

He***
(Aristoteles Metaphysik Θ 1-3, S.116-7)