Positive Freiheit

(...) echte, positive Freiheit ist kein Nur-freisein-von... (weg von...), sondern Freisein-für... (hin zu...). (...) Eigentliches Frei-werden ist ein entwerfendes Sich-binden, — kein bloßes Zulassen einer Fesselung, sonders das Sich-selbst-für-sich-selbst-eine-Bindung-geben, und zwar eine solche, die von vornherein im voraus verbindlich bliebt, so daß jedes nachkommende Verhalten im einzelnen dadurch erst ein freies werden und sein kann.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 58-59)

Grundleistung der Idee

»Ιδεα« meint das im voraus Gesichtete, das im voraus Vernommene und Seiendes Durchlassende, als Auslegung des »Seins«. Die Idee läßt uns das, was das Seiende ist, sehen, läßt gleichsam durch es hindurch dsa Seiende auf uns zukommen. (...) Das Sein, die Idee, ist das Durchlassende: das Licht. Was Grundwesen des Lichtes, das ist Grundleistung der Idee.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 57)

Das Dunkel

Das Dunkel ist undurchsichtig, weil es selber eine Weise des Durchlassens ist. Die Wand ist undurchsichtig, weil sie überhaupt keine Weise des Durchlassens (für das Sehen) ist. Versagen kann nur, was auch in der Möglichkeit steht, zu gewähren. Das Dunkel versagt Sichtbarkeit, weil es auch Sicht gewähren kann: im Dunkel sehen wir die Sterne.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 56)

Helle ist Sichtbarkeit

Wir sehen ein doppeltes: das Licht erst läßt den Gegenstand für den Blick durch als einen sichtbaren und läßt den sehenden Blick hindurch zu einem zu sichtenden Gegenstand. Licht ist das Durchlassende. Helle ist Sichtbarkeit (das Sichtbare), Ausbreitsamkeit, Eröffnung des Offenen. Damit haben wir das eigentliche Wesen der Helle bestimmt: sie ermöglicht den Dingen dem Blick zu zeigen, einen Anblick zu bieten für das Sehen in der engeren Bedeutung des Vernehmens durch den Gesichtssinn.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 56)

Das Licht

Auch das Licht hat den Charakter des Hindurch. Dieser Charakter des Hindurch, im Unterschied zum Dunklen, Zurückbleibenden, ist es, der dazu führt, daß die Bedeutung »Helle« übertragen wird vom Hörbaren auf das Feld des Gesichtes. Helle ist das, wohindurch wir sehen. Genauer: das Licht ist nicht nur das, was hindurchdringt, sondern ist selbst das Hindurch, — das, was hindurch-läßt, nämlich das Sehen und den Blick. Das Lichte ist das Durchsichtige, d.h. ausbreitsam, öffnend, durchlassend. Das Wesen von Licht und Helle ist das Durchsichtigsein.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 55)

Idee ist Anblick

»Idee« ist also der Anblick dessen, als was seiend sich etwas darbietet. Diese Anblicke sind es, worin das einzelne Ding als das und das sich präsentiert: präsent und anwesend ist.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 51)

Wir sehen ein Was-sein

Wir können noch so scharfe und höchst ausgebildete Sehwerkzeuge haben, unser Geischtssinn mag noch so vorwaltend, ja vortrefflich sein, wird sehen durch den Gesichtssinn nie und nimmer ein Buch. Wir sähen nie etwas wie ein Buch, wenn nicht, — ja wenn wir nicht schon in einem weiteren und ursprünglicheren Sinn zu sehen vermochten. Jedenfalls gehört zu diesem »Sehen« ein Verstehen dessen, was da ist, was begegnet (...). Wir sehen sein Was-sein. »Sehen« ist jetzt ein Vernehmen (...).

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 50)

Der Aufstieg

Die Befreiung im Sinne der Herauskehrung ans Licht der Sonne ist eine gewaltsame. Zur Erreichung des jetzt Unverborgenen gehört Gewalttätigkeit, — daher das αγανακτειν, das Widerstreben, zumal der zu befreiende Mensch auf einem beschwerlichen, holprigen Weg hinaufgezwungen wird. Der Aufstieg verlangt Arbeit und Anstrengung und bereitet Mühe und Leiden.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 42)

Angewöhnung

Συνηθειας δη οιμαι δεοιτ' αν, ει μελλοι τα ανω οψεσθαι

P***
(πολιτεια 515 e 5)

Plötzliche Befreiung

Weil die Lösung der Fesseln, das Aufstehen, das Sichumwenden, das Ins-Licht-Blicken plötzlich (εξαιφνης) geschehen sollen, kann die Befreiung (λυσις) nicht zu einer ιασις της αφροσυνης werden, zur Heilung von der Einsichtslosigkeit.

Durch dieses bloßes Anders entsteht lediglich Verwirrung. Das ihm Gezeigte gewinnt keine Eindeutigkeit und Bestimmtheit. Daher will der Entfesselte zurück in die Fesseln.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 35-6)

Richtig sehen

ο προς μαλλον οντα τετραμμενος ορθοερον βλεπει »wer dem Mehr-seienden zugewendet ist, sieht richtiger«.

Die Richtigkeit des Sehens und Besehens der Dinge, und damit des Bestimmens und Aussagens, gründet in der jeweiligen Weise der Zuwendung und Nähe zum Seienden, d.h. in der Art, wie jeweils das Seiende unverborgen ist. Die Wahrheit als Richtigkeit gründet in der Wahrheit als Unverborgenheit.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 34)

Nähe und Ferne zum Seienden

Je mehr das Unverborgene unverborgen ist, um so näher kommen wir dem Seienden (μαλλον εγγυτερω του οντος). Als hängt das Näherkommen zum Seienden mit der Steigerung der Unverborgenheit des Seienden zusammen und umgekehrt. Die Nähe zum Seienden, d.h. das Da-bei-sein des Da-seins, die innere Nähe des Mensch-seins zum Seienden (bzw. die Ferne), der Grad seiner Un-verborgenheit, die Steigerung des Seienden selbst als eines Seienden, — diese drei sich in sich verkettet. Vor allem müssen wir festhalten: das Seiende tritt auseinander in mehr oder weniger Seiendes. Es git »Seienderes«. Nähe und Ferne zum Seienden verändert das Seiende selbst.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 33-4)

Unverborgener

ηγεισθαι αυτον τα τοτε ορωμενα αληθεστερα η τα νυν δεικνυμενα, der so Entfesselte » würde dafürhalten, das vormals Gesehene [die Schatten] sei unverborgeren (wahrer) als das jetzt Gezeigte« [nämlich die Dinge im Licht selbst].

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 31)

»Nicht-da« der Unterscheidung

So wenig wie der Unterschied von Schatten und schattenwerfenden wirklichen Dingen, so wenig wie der Unterschied von Licht und Dunkel, so wenig ist auch der Unterschied von Unverborgenheit und Verborgenheit als dieser Unterschied für die Gefangenen da.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 30)

Ganz von selbst

Der Mensch nimmt das ihm je Un-verborgene (das, was sich vor ihm darbietet) ganz von selbst als das Seiende, das sich zu solchem verhält, das ihm das Seiende ist.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 27)

zu Unverborgenem sich verhalten

Der Mensch ist von Kindheit an schon und seiner Natur nach vor das Unverborgene gestellt. (...) Mensch sein heißt nicht nur, aber unter anderem: zu Unverborgenem sich verhalten.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 25)

Helle aber...

φως τε αυτοις πυρος ανωθεν και πορρωθεν καομενον οπισθεν αυτων

(Helle aber kommt ihnen von hinten, von einem von oben und fernher brennenden Feuer).

P***
(πολιτεια 514 a 2)

Wink — Ziel der Philosophie

Dies allein schon, daß Platon von der αληθεια in einem Gleichnis spricht, gibt uns den entscheidenden Wink dahin, wo wir sie zu suchen haben und wo wir uns ihr stellen müssen, wenn wir dem Wesen der Wahrheit näherkommen wollen. Dieses Unbeschreib- und Unbeweisbare aber ist das Entscheidende — und dahin zu kommen die ganze Anstrengung der Philosophie.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 19)

das Geschehen

Weder die αληθεια in ihrer Ürsprunglichkeit noch Wahrheit als Richtigkeit (ομοιωσις) in ihrer bloßen Selbstverständlichkeit wollen wir uns zunächst näherbringen, sondern die eigentümliche Verstrickung beider. Wir wollen sehen, wie diese beiden Begriffe ineinander gewirrt sind. Dieser Übergang selbst, der αληθεια qua Unverborgenheit zur Wahrheit qua Richtigkeit, ist ein Geschehen, ja nichts geringeres als das Geschehen, im dem der Anfang der abendländischen Geschichte der Philosophie bereits einen abseitigen und verhängnisvollen Gang nimmt.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 17)

Anfang und Fortschritt

In allem Unwesentlichen und Belanglosen ist der Anfang das, was überwunden werden kann und überwunden wird; im Unwesentlichen gibt es daher Fortschritt. Im Wesentlichen aber, wozu die Philosophie gehört, kann der Anfang nie überwunden, sondern gar nie mehr erreicht werden.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 15)

Vorliebe zur Verborgenheit

[η] φυσις κρυπτεσθαι φιλει.

(Das Walten des Seienden, d.h. das Seiende in seinem Sein, liebt es, sich zu verbergen).

H***
(B123)

Das Unverborgene

Was wird denn von den Griechen αληθες (unverborgen, wahr) genannt? Nicht die Aussage, nicht der Satz und nicht die Erkenntnis, sondern das Seiende selbst, das Ganze von Natur, Menschenwerk und Wirken des Gottes. (...) Demnach muß zuvor und zugleich das Seiende in seiner Verborgenheit erfahren sein, — das Seiende als etwas, was sich verbirgt.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 13)

das Un-verborgene

Die Griechen verstanden das, was wir das Wahre nennen, als das Un-verborgene, nicht mehr Verborgene; das, was ohne Verborgenheit ist, mithin das der Verborgenheit Entrissene, ihr gleichsam Geraubte. Das Wahre ist also für die Griechen etwas, was ein Anderes, nämlich Verborgenheit, nicht mehr an sich hat, davon befreit ist.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 10-11)

αληθεια

ομοιωσις των παθηματων της ψυχης και των πραγματων

A***
(περι ερμηνειας, 1,16)

Veritas

Veritas est adaequatio rei et intellectus sive enuntiationis

A***
(Quaestiones de veritate, I,1)

Wahrheit

So ist Wahrheit die auf Richtigkeit gründende Übereinstimmung der Aussage mit der Sache.

H***
(Vom Wesen der Wahrheit, S. 2)