Subjektivität und Seinsverlassenheit

Die Subjektivität des Menschentums die auszeichnende Sicherung der durch die Metaphysik vollzogenen Seinsverlassenheit. Die Subjektivität des Menschentums kennzeichnet die Neuzeit als solche, weil diese selbst sich aus der Vollendung der Metaphysik bestimmt; diese Vollendung aber besteht in der Ermächtigung des Machtwesens des Seins als Machenschaft.

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(Die Geschichte des Seyns, S. 44).
Das Aufkommen der mannigfaltigen Abwandlungen des «Wertgedankens» in den «Weltanschauungen» bestätigt die vollzogene Auslieferung des Seienden in die Seinsverlassenheit.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 39).

In der Seinsverlassenheit west das Seyn

Auch in der Seinsverlassenheit des Seienden west noch das Seyn. Denn gerade zu der Zeit, wo sich die Sinnlosigkeit vollendet und das Menschentum in die schrankenlose Mache der Machbarkeit des Seienden verzaubert wird, als sei sie die Meisterung des «Seins», werden die «Werte» («Lebens»- und «Kultur»-«Werte») als die höchsten Ziele und Zielformen des Menschen ausgerufen. Die «Werte» sind aber nur die Übersetzung des wahrheitslosen Seins in die bloßen Titeln dessen, was im einzigen Umkreis der Machsamkeit als das Schätzbare und Errechenbare gelten darf.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 38-9).











Nichts unterbricht mehr das Schweigen der Verlassenheit.

Wesentliche Verlassenheit

Die Verlassenheit ist dann eine wesentliche, wenn das Verlassende als solche nicht mehr wißbar ist und doch noch ein verhüllter Schein alles umdrängt.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 37).

Das vom Sein verlassene Seiende

Das jeweilige Seiende bietet sich jetzt in seiner Machbarkeit überall und ständig an. Auf die Machsamkeit verläßt sich das Seiende, aber ohne sie als Sein zu kennen und zuzugestehen. Das vom Sein verlassene Seiende — wie soll es denn verlassen sein?.

Dergestalt, daß es keine Besinnung auf das Sein und seine Wahrheit im Sinne einer Entscheidung zuläßt, die das Seiende im Ganzen erschüttern müßte. Die Seinsverlassenheit meint also nicht Abschnürung des Seienden vom Sein, im Gegenteil: in der Verlassenheit ist ja das Verlassene doch auf das Verlassende bezogen — ihm zugewiesen —, so daß es sich, wenngleich verschiedenartig, auf das Verlassende verläßt.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 36).

Die Seinsvergessenheit

Die Seinsvergessenheit ist die metaphysische Einrichtung und Verfestigung der dabei notwendig völlig verborgenen Seinsverlassenheit.

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(Die Geschichte des Seyns, S. 35).

Der Fremdling

Fremdling — ein irrender — ist der Mensch in der Geschichte des Seyns und dazu noch genarrt durch die Historie des Seienden.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 29).

Abkehr vom Anfang

Demgemäß ist das Verhältnis zum Anfang immer nur so möglich, daß der Anfang in sein Eigenstes, in jene abwehrende Verwahrung (des Wesens der φυσις) zurückgestellt und in seiner Einzigkeit gewürdigt wird. Jedes andere Verhältnis ist Abkehr vom Anfang, auch wenn es den gegenteiligen Schein erweckt. In der Abkehr wird der Anfang vergessen.

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(Die Geschichte des Seyns, S. 22).

Der Anfang

Der Anfang, der alles Künftige überwaltet, ist nur im Anfangen, das will sagen: er ist der Selbe und er selbst je nur, solange er in sich selbst zurückgeht und so das, was er vorauswirft, die Wahrheit des Seyns, in ihm selbst verwahrt und gegen alle Verkehrung sich wehrt.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 22).

Herr der Macht

Herr ist, wer über die Macht herrscht. Das bloße Ja zur Macht als Wesen der Wirklichkeit ist die niedrigste Knechtschaft. Herr der Macht ist, wer ihr Wesen wandelt. Solche Wandlung entspricht nur dem Seyn. Und einmal kommt das Seiende vor das Seyn und muß in ihm den Anfang seiner Wahrheit ergründen und — in den Ab-grund reichen.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 21).

Wirkung der Philosophie

Alle bisherige Philosophie aber erweckt in der Gestalt der Metaphysik den Anschein der «Wissenschaft», zumal sie sich eigens so benennt und nimmt und stets unzureichende Ansprüche als Maßstäbe über sich zur Geltung bringt.

Deshalb wird auch von der Philosophie eine «Wirkung» erwartet, die sie nie haben kann. biologisch-psychologisch-historisch mißdeutet.

H***
(Die Geschichte des Seyns, S. 15).

Erwehrendes Seyn

8. Das Seyn

wird sich zu seiner Stunde des Gemächtes der Menschen erwehren und selbst die Götter noch in seinem Dienste nehmen und sein eigenstes Unwesen — die Machenschaft — abwerfen.

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(Die Geschichte des Seyns, S. 9).

Vorlogisches Offensein

Das vorlogische Offensein für das Seiende, aus dem heraus schon jeder λογος sprechen muß, hat das Seiende immer schon im vorhinein ergänzt zu einem »im Ganzen«. Unter dieser Ergänzung verstehn wir nicht das nachträgliche Hinzufügen eins bislang Fehlenden, sonder das vorgängige Bilden des schon waltenden »im Ganzen«. (Ohnehin ist bei jeder Ergänzung im handwerklichem Sinne das Wesentliche nicht die Anfügung des fehlenden Stückes, sondern die zentrale Leistung der Ergänzung ist, im vorhinein das Ganze sehen und vorbilden, zum Ganzen fügen). Alles Aussagen geschieht auf dem Grunde einer solchen Ergänzung, d.h. auf dem Grunde eines vorgängigen Bildens dieses »im Ganzen«.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 504).

Offenbarkeit im Ganzen

So zeigt sich, daß für die Möglichkeit des Vollzuges einer Aussage nicht nur notwendig ist, daß sie von sich aus dem, worüber sie urteilt, die Möglichkeit einer Verbindung zustellt, und daß nicht nur im vorhinein dasjenige, worüber geurteilt wird, als ein Seiendes aufgefaßt und erfaßt sein muß, sondern daß eben so notwendig im vorhinein schon jede Aussage in eine Offenbarkeit im Ganzen hineinspricht und zugleich aus einer solchen herausspricht.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 501).

Vorprädikative Offenbarkeit

Die vorprädikative Offenbarkeit muß aber nicht nur überhaupt ständig schon geschehen und geschehen sein, wenn die aufweisende Aussage — so oder so — vollziehbar werden soll, sondern diese vorprädikative Offenbarkeit muß selbst ein solches Geschehen sein, darin ein bestimmtes Sich-bindenlassen geschieht. Es ist dies der vorgängige Bezug auf das, was dem aufweisenden Aussagen das Maß gibt: das Seiende, wie es ist. Die Maß-gabe wird im Sinne des sich-bindenlassenden Verhaltens im vorhinein dem Seienden übertragen, so daß an diesem die Angemessenheit oder Unangemessenheit sich regelt.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 496-7).

λογος als »entweder-oder«

Der λογος ist ein Vermögen, gekennzeichnet durch das »entweder-oder« des Entbergens-Verbergens in der Aufweisung. Es muß also schon vor dem Vollzug und für den Vollzug jeder Aussage im aussagenden Menschen ein Offensein für das Seiende selbst möglich sein, darüber er jeweils urteilt. Das Offensein für ist von Hause aus das sich-bindenlassende freie Sich-entgegenhalten zu dem, was da als Seiendes gegeben ist.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 496).

Aussagewahrheit

Der λογος αποφαντικος legt nur aussagend auseinander, was schon offenbar ist, aber er bildet nicht überhaupt erst Offenbarkeit von Seiendem. In der Aussage liegt zwar ein Wahrsein oder Falschsein, ja, sie ist sogar die Form, in der sich Wahrsein und Falschsein gemeinhin ausdrücken und in der sie weitergegeben und mitgeteilt werden. Aber daraus folgt ganz und gar nicht, daß Aussagewahrheit die Grundform der Wahrheit ist.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 493).

Aufweisung ist Sehenlassen

καταφασις δε εστιν αποφανσις τινος κατα τινος. αποφασις δε εστιν αποφανσις τινος απο τινος. επει δε εστι και το υπαρχον ως υπαρχον και το μη υπαρχον ως μη υπαρχον και περι τους νυν χρονους ωσαυτως.

 Aufweisung ist Aufweisung des Vorhandenen als Nichtvorhandenen, des Nichtvorhandenen als Vorhandenen, des Vorhandenen als Vorhandenen und des Nichtvorhandenen als Nichtvorhandenen (formales negatives, formales positives als wahres positives und wahres negatives Urteil): Vorhandenes bzw. Nichtvorhandenes als solches bzw. nicht als solches. Noch allgemeiner gesagt: Aufweisung ist Sehenlassen des Vorhandenen als solches.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 462).

Einheitbildende Vernunft

Die Vernunft ist ihrem Wesen nach einheitbildend. Aristoteles spricht das aus in »De anima«: το δε εν ποιουν, τουτο ο νους εκστον: Das Bilden von Einem und Einheit überhaupt ist jeweils die innere Aufgabe der Vernunft.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 461).

Auseinandernehmendes Zusammennehmen

ενδεχεται δε και διαιρεσιν φαναι παντα: Man kann alles, was ich unter dem Titel συνθεσις aufgezeigt habe, auch διαιρεσις, Auseinandernehmen nennen, d.h. als solches fassen.

Das Weiße ist nicht weiß. Hier liegt zugrunde ein vorgängiges Zusammennehmen von Weiß und Nicht-weiß. Und eben dieses Zusammennehmen ist auch ein Auseinandernehmen. Wir können das eine mit dem anderen nur zusammenhalten, wenn dieses Zusammenhalten in sich ein Auseinanderhalten bleibt. Die συνθεσις νοηματων ist in sich, von Hause aus, auch schon διαιρεσιsigmaf;. Das Vernehmen ist in sich auseinandernehmendes Zusammennehmen.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 457).

Die »als-Struktur«

Die »als-Struktur«, das vorgängige einheitbildende Vernehmen von etwas als etwas, ist die Bedingung der Möglichkeit für Wahrheit und Falschheit des λογος.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 456).

Vernehmendes Einheitbilden

Ein einheitbildendes Vernehmen (vernehmendes Einheitbilden) ist der Wesensgrund für die Möglichkeit des Entbergens oder Verbergens, nicht nur für das eine oder das andere, sonder für das »entweder-oder« bzw. »sowohl-als-auch« beider, so so der Wesensgrund für jedes als solches, solches was es nur in diesem »entweder-oder« bzw. »sowohl-als-auch« ist.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 455).

συνθεσις τις

εν οις δε και το ψευδος και το αληθες, συνθεσις τις ηδη &vu;οηματων ωσπερ εν οντων: Im Felde dessen, in bezug woraus sowohl das Verbergende als auch das Entbergende möglich wird, da ist bereits so etwas wie eine Zusammensetzung (ein Zusammennehmen) des Vernommenen geschehen, dergestalt, daß das Vernommene gleichsam eine Einheit bildet. Der Grund der Möglichkeit der Entbergung oder des Verbergens ist dieses Bilden einer Einheit.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 454).

Apophantisch

Aufweisend also, apophantisch, ist derjenige λογος, zu dessen Wesen es gehört, entweder zu entbergen oder zu verbergen. Durch diese Möglichkeit ist gekennzeichnet, was apophantisch besagt: aufweisend. Denn auch der verbergende λογος ist aufweisend. Wäre er das nicht, seinem inneren Wesen nach, dann könnte er nie zu einem täuschenden werden. Denn gerade, wenn ich einem Anderen etwas vormachen will, muß ich zuvor schon in der Haltung sein, ihm etwas aufweisen zu wollen. Der Andere muß überhaupt im vorhinein meine Rede als von solcher Tendenz zum Aufweisen nehmen; nu so kann ich ihn über etwas täuschen.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 450).

Etwas als solches meinen können

Nun sagt Aristoteles: Die Rede ist, was sie ist, d.h. sie bildet einen Kreis von Verständlichkeit, wenn eine γενεσις eines συμβολον ist, wenn ein Zusammengehaltenwerden geschieht, worin zugleich ein Übereinkommen liegt. Rede und Wort ist nur im Geschehen des Symbols, wenn und sofern ein Übereinkommen und Zusammenhalten geschieht. Dieses Geschehen ist die Bedingung der Möglichkeit der Rede. Ein solches Geschehen fehlt beim Tier, das zwar Laute hervorbringt. Diese Laute bezeichnen etwas, wie wir sagen, sie geben von etwas Kunde, und doch sind die Verlautbarungen keine Wort, sie haben keine Bedeutung, können nichts zu bedeuten geben. Das ermöglicht nur die Genesis des Symbols, das ganze Geschehen, worin im vorhinein ein Zusammenhalten geschieht, ein Sichzusammenhalten des Menschen mit etwas, dergestalt, daß er mit dem, womit er sich zusammenhält, übereinkommen kann in der Weise des Meinens. Der Mensch hält sich, und zwar seinem Wesen nach, mit etwas anderem zusammen, sofer er zu anderem Seienden sich verhält und aufgrund dieses Verhaltens zu anderem dieses andere als solches meinen kann.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 446).

Primär etwas anderes

Das Tier meint und versteht nicht bei seinem Schrei. Das hat dazu geführt, daß man den Unterschied von stimmlicher Verlautbarung und bedeutungsbehaftetem Wort, wie der letztere Ausdruck besagt, aneinanderknüpft und sagt, der Mensch habe außer der stimmlichen Verlautbarung, mit dieser verbunden, noch eine Bedeutung, die er versteht. Damit ist das Problem von vornherein in einen verkehrten Zusammenhang gedrängt. Es verhält sich gerade umgekehrt. Unser Wesen ist von vornherein derart, daß es versteht und Verständlichkeit bildet. Weil unser Wesen so ist, deshalb können menschliche Verlautbarungen, die wir auch hervorbringen, eine Bedeutung haben. Die Bedeutung wächsts nicht den Lauten zu, sondern umgekehrt, aus schon gebildeten und sich bildenden Bedeutungen bildet sich erst die Prägung des Lautes. Der λογος ist zwar φωνη, aber nicht primär und dann etwas dazu, sondern umgekehrt, er ist primär etwas anderes und dabei auch... φωνη.

H***
(Die Grundbegriffe der Metaphysik, S. 444-5).