Pflicht und Recht im Staat

Da die Pflicht zunächst das Verhalten gegen etwas für mich Substantielles, an und für sich Allgemeines ist, das Recht dagegen das Daseyn überhaupt dieses Substantiellen ist, damit die Seite seiner Besonderheit und meiner besondern Freyheit ist, so erscheint beydes auf den formellen Stufen an verschiedene Seiten oder Personen vertheilt. Der Staat, als Sittliches, als Durchdringung des Substantiellen und des Besonderen, enthält, daß meine Verbindlichkeit gegen das Substantielle zugleich das Daseyn meiner besonderen Freyheit di.i. in ihm Pflicht und Recht in einer und derselben Beziehung vereinigt sind. Weil aber ferner zugleich im Staate die unterschiedenen Momente zu ihrer eigenthümlichen Gestaltung und Realität kommen, hiemit der Unterschied von Recht und Pflicht wieder eintritt, so sind sie, indem sie an sich, d.i. formell identisch sind, zugleich ihrem Inhalte nach verschieden. Im Privatrechtlichen und Moralischen fehlt die wirkliche Nothwendigkeit der Beziehung, und damit ist nur die abstracte Gleichheit des Inhalts vorhanden; was in diesen abstracten Sphären dem Einen Recht ist, soll auch dem Andern Recht, und was dem Einen Pflicht ist, soll auch dem Andern Pflicht seyn. Jene absolute Identität der Pflicht und des Rechts findet nur als gleiche Identität des Inhalts Staat, in der Bestimmung, daß dieser Inhalt selbst der ganz allgemeine, nämlich das Eine Prinzip der Pflicht und des Rechts, die persönliche Freyheit des Menschen ist.

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(Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, S. 252-3).